Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Verpflichtungen in Cassel nöthigten Reinhard, sofort nach Erledigung dieses Geschäftes Hamburg zu verlassen, noch vor dem ll. November, dem Geburts­tag seines Schwiegervaters, den die Familie noch gerne zusammengefeiert hätte. Er glaubte, in den Hamburger Konferenzen ein Werk gethan zu haben, mit dem alle Welt zufrieden sein werde, sobald die Welt gerecht geworden sei. Auch der Kaiser schien zufrieden; eben in diesen Tagen kam ein Decret aus Paris, das Reinhard zum Baron des Kaiserreichs erhob, womit eine Dotation von jährlich 9000 Francs verbunden war. Allein die ganze Verhandlung blieb ohne praktische Folgen, der Kaiser kam nicht mehr darauf zurück; für jetzt genügte es ihm, die Städte in thatsächlicher Abhängigkeit und folgsam dem Continentalsystem zu wissen. Unter den Zollplackereien, den Erpressungen, der Einquartierung westfälischer Truppen hatte Hamburg schwer zu leiden, und es war für Reinhard peinlich, von dort Klagen vernehmen zu müssen, denen er nicht abhelfen konnte. Seine Verwendung, schreibt er am 20. No­vember seinem Schwiegervater, würde nichts nützen, nur schaden, und sein Rath ist, sich zu resigniren unddas Schicksal der Stadt für jetzt und für die Zukunft ganz in die Hände des Kaisers zu legen". Bei dieser Ansicht konnte er den Denkschriften, die noch weiterhin von hanseatischer Seite aus­gingen, keinerlei Wirkung beimessen, er war überzeugt, daß sie nichts Gutes stiften könnten. Damit meinte er namentlich auch eine Schrift seines Schwiegervaters:Klagen der Völker des Kontinents von Europa, die Handels­sperre betreffend", und er sprach sich über diese unzeitige Einmengung um so abfälliger ans, als sie, von einer ihm nahestehenden Seite ausgehend, für ihn persönlich eine Verlegenheit war. Er selbst schrieb dem Schwiegervater am l5. Februar 1810:

Hätt' ich Von Ihrer Schrift vorher Kenntniß gehabt, so würd' ich Sie allerdings gebeten haben, theils um der Sache selbst, theils um meinetwillen, ihren Druck und ihre Bekanntmachung zu unterlassen. Die Maßregeln, von denen dort die Rede ist, greifen zu tief in die wichtigsten Verhältnisse der gegenwärtigen Politik ein, als daß ein Privatmann ihre Wirkungen von allen Seiten zu überschauen im Stande wäre; und insofern voransznsehen war, daß der Kaiser weder den Inhalt noch die Form Ihrer Schrift, wenn sie ihm bekannt werden sollte, gut finden würde, hat sie freilich auch in mir keine angenehme Empfindung erregen können. Ich bin überzeugt, daß bei dem Bewußtsein Ihrer redlichen Absichten nur die Rücksicht aus mich Ihnen einige Un­ruhe macht. Jene Absichten werden Sie, und die Unmöglichkeit, worin ich mich befand, dem Geschehenen znvorznkommen, wird mich in den Augen des gerechten Monarchen schützen. Ich bitte Sie folglich, in Beziehung ans Sie und ans mich vollkommen ruhig zu sein und zu bleiben. Nicht darin hatten Sie Unrecht, daß Sie, einverstanden mit dem Zweck des Continentalsystems, an der Wirksamkeit der Mittel zweifelten; aber darin, daß Sie daran verzweifelten, weil man an nichts verzweifeln muß, was Napoleon unternimmt."

Der wackere, für seine Vaterstadt unermüdlich thätige Professor ließ sich durch solche Zurechtweisungen nicht abschrecken, auch in der Folge die Klagen Hamburgs zum Ohre seines Schwiegersohns zu bringen. In einem Briefe Reinhard's an ihn vom 9. Juni 1810 lesen wir:

Leider sind mir die Thatsachen, die Sie in Ihrem Brief anführen, nicht unbekannt, und leider weiß ich weder Nachrichten, noch Rath, noch selbst Vermuthungen daraus zu erwidern. Geduld! Das Wort ist freilich hart, aber es ist das einzige, was sich eben jetzt anssprechen läßt. Es ist ein peinigender Gedanke für mich, daß Ihre ehrwürdigen alten Tage durch den Anblick