Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Am weitesten drang das Alterthum in der Kenntniß Afrika's auf der Ostküste vor. Die griechische Erdkunde scheint, auf die Nachrichten der arabischen und der indischen Kausleute gestützt, bis über die Mündungen des Sambesi zu reichen. Die Inder verkehrten bereits in hellenistischer Zeit bis Alexandria; sie setzten sich im Beginn der römischen Kaiserzeit auf der Insel Sokotra fest und dehnten allmälig ihre Fahrten auf die ostasrikanischen Küsten aus.

Einen großen Aufschwung gewann der Handel und die Cultur Ostafrika's seit dem neunten Jahrhundert. Die arabischen Stämme, durch Mohammed zum Bewußtsein ihrer Kraft erweckt, ergossen sich in unaufhaltsamem Strome über ihre alten Grenzen und gründeten in drei Welttheilen neue Reiche. Das erste Sultanat von Sansibar ward von Persern aus Schiras und Maskatarabern gegründet; es erstreckte seine Macht bis nach Madagaskar und den gegenüberliegenden Küsten. Arabische Chronisten und der Venetianer Marco Polo, der Ende des dreizehnten Jahrhunderts nach Sansibar kam, preisen die Blüthe jenes Reiches. Kein abendländisch Schiss hatte sich aber noch bis in jene südlichen Breiten verirrt; der Zwischenhandel von Indien und China nach dem Abendland lag einzig in den Händen der Fatimiden und anderer mohammedanischer Herrscher. Bloß eine ganz vereinzelte Nachricht meldet von Genuesen, den Gebrüdern Vivaldi, daß sie auf der Jndienfahrt das Cap umschifften, allein wie die Entdeckung Amerika's durch die Normannen, so gerieth auch diese Fahrt wieder in Vergessenheit.

Da kam ganz Europa in Gährung. Die Türken brachen vom Osten herein, ihr Fanatismus bedrängte die Christen und erschwerte den wichtigen Handel mit dem äußersten Orient: es galt, stch neue Wege nach Indien zu bahnen. In Portugal war seit dem beginnenden fünfzehnten Jahrhundert die Lust zu überseeischen Entdeckungen ausgekommen; sie fingen an, regelmäßig dst afrikanische Westküste zu befahren. Dazu kam der religiöse Eifer, der sich gegen den Islam wandte. Befeuert durch die Jahrhunderte langen Kämpfe mit den Mauren, ausgereizt durch die Eroberung von Granada, die ihre letzten Reste in Spanien niederwarf zu der Zeit, als Columbus der neuen Welt zu­segelte, wollten die ritterlichen Bewohner der pyrenäischen Halbinsel neue Länder für das Christenthum erstreiten, das im Osten Europa's so große Ein­bußen erlitten hatte. Diego Canjo, von dem Nürnberger Geographen Behaim begleitet, erreichte 1486 die Walfischbai; ein Jahr darauf umsegelte Bartolomeo Diaz dasCap aller Stürme" und landete an der Mündung des Oranje, an der des Fischflusses und auf der Insel St. Croix. König Johann II. sah den Weg nach Indien nunmehr geebnet und benannte das entdeckte Vorgebirge des­halbCap der guten Hoffnung'. Ende 1497 landete Vasco da Gama an der Mosselbai und trat in Verbindung mit den Hottentotten; am Weihnachtstage desselben Jahres stieg er an den Strand von Natal oder zu deutsch der Weihnachtsküste", fuhr dann Weiter nach Mocambique und Sansibar und gelangte glücklich nach Malabar und Kalikut-

Die Unternehmungen der Portugiesen wachsen nach diesen Erfolgen ins Gigantische, bald umspannen sie den Erdkreis, und Lissabon wird der Sitz des Welthandels. In gewaltigen Seeschlachten unterliegen die Mohammedaner