Der Aufschwung Südafrika's.
453
der Europäer stieg auf sechshundert; bald ward sie weiter beträchtlich vermehrt durch zuströmende Hugenotten, die der Widerruf des Edicts von Nantes aus Frankreich vertrieben hatte. An dreihundert dieser Flüchtlinge folgten einem Ruse der Ostindischen Compagnie nach Südafrika und pflanzten dort ihre Weinberge in den jetzigen Bezirken Stellenbosch und Paarl. Unter dem Druck der holländischen Behörden verlernten sie im zweiten Geschlecht ihre Muttersprache und verschmolzen mit den übrigen Kolonisten, obwohl später neuer Zufluß französischen Blutes erfolgte. Nur die Rassenmerkmale haben sich bis jetzt noch behauptet: ovales Gesicht, dunkle Haare, lebhafte Augen, der energische Bug der Nase, eine große Regsamkeit, ja Leidenschaftlichkeit des ganzen Wesens, sowie die Freude am Erzählen und heiterer Unterhaltung. Entschiedene Ansichten, leichte Reizbarkeit, Schwung und Unternehmungsgeist sind weiter auszeichnende Züge der Hugenottenenkel.
Zwischen den Nachfolgern van der Stell's und den Siedlern am Cap fanden fortwährende Reibungen statt. Die Gouverneure hielten mit unerbittlicher Härte an dem eisernen Contracte fest, sie erließen strenge Mode- und Etiquetteordnungen, und wenn ja einer der Colonisten sich auflehnte, so verschickten sie ihn nach Java in die Verbannung. Ueberhaupt war das Regiment der Compagnie selbstsüchtig und rücksichtslos. Die reichen Kausleute des Nordens (nicht ihre Siedler) standen in dieser Hinsicht nicht höher als die Spanier und Portugiesen, wie denn überhaupt erst in unserem Jahrhundert der Grundsatz, daß Kolonien lediglich ein Gegenstand der Ausbeutung für das Mutterland seien, verlassen worden ist.
So ließ die Compagnie aus den Molukken neun Zehntel der Gewürznelkenpflanzungen zerstören, bloß um ein Sinken des Preises aus dem europäischen Markte zu verhindern. Im Cap kam es dahin, daß die gedrückten Siedler lieber in die Wildniß einem entbehrungsreichen Leben entgegenzogen, als sich länger der Tyrannei der Gouverneure zu fügen. Man begann damals Burghers in der Stadt und Buren aus dem platten Lande zu unterscheiden. Die Buren machten ihren ersten „Troll", überstiegen die Schwarzen Berge und gelangten aus das Carroo. Dort schossen sie, um ihre Rinder und Schafe zu schonen, das zahlreiche Wild; allein der Buschmann überfiel die Rinder des Weißen und brachte sie bei Seite. Ein Buschmann kann überhaupt zwischen wilden und gezähmten Thieren nicht unterscheiden, und es scheint, als ob ihm auch der Begriff des Eigenthums ursprünglich durchaus fremd war; dazu sah er sich durch die Fremden seiner Nahrung, des jagdbaren Wildes, beraubt. Die Buren gingen jedoch schonungslos gegen „die Vettern des Pavians" vor; selten kehrte einer von einem Ausfluge heim, ohne vier oder fünf Buschleute erlegt zu haben. Den Hottentotten dagegen, der gefangen wurde, machten die Farmer zu ihrem Sklaven; dazu wurden noch Negersklaven von der Guineaküste ein- gesührt, die ja auch nach Amerika Tausende ihrer Kinder jährlich schicken mußte. Um die Macht über die ausgewanderten Siedler nicht zu verlieren und ihre Grausamkeit gegen die Sklaven zu beschränken, errichtete die Regierung Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ein Lager zu Swellendam südlich der Schwarzen Berge und ein Menschenalter später eine Landdrostei in Graas-Reinet au der