Politische Rundschau.

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Brisson, als ihren Candidaten ausgestellt hatten, so konnte es Erstaunen erregen, daß der Nachfolger Casimir-Perier's zunächst den radicalen Deputirten Bourgeois mit der Neubildung des Ministeriums beauftragte. Von Seiten der conservativen Organe wurde darauf hingewiesen, daß Faure von den gemäßigten republikanischen Parteigruppen und der Rechten im Senate und in der Deputirtenkammer gewählt worden sei, so daß es gewissermaßen seinen Ursprung verleugnen hieße, wenn er sich der äußersten Linken zuwenden sollte. Bei dieser Auffassung wurde allerdings über­sehen, daß die Präsidentenwahl von beiden zur Nationalversammlung vereinigten parlamentarischen Körperschaften vollzogen wird, während nach parlamentarischem Brauche bei der Neubildung des Cabinets diejenige Partei herangezogen zu werden pflegt, durch die das frühere, im vorliegenden Falle also das Ministerium Dupuy, gestürzt worden ist. Der Präsident der Republik, Faure, entsprach daher lediglich der in Frankreich anerkannten Praxis, wenn er sich an erster Stelle an einen radicalen Parteiführer wendete. Daß aber eine ausschließlich aus radicalen Elementen bestehende Regierung nicht die geringsten Aussichten auf Bestand hätte, konnte sich Bourgeois von Anfang an nicht verhehlen; seine Absicht ging deshalb dahin, ein sogenanntes „Concentrations-Ministerium" zu bilden, in dem die verschiedenen Parteigruppen der Linken „concentrirt" werden sollten, obgleich in früheren Fällen ein solcher Versuch, offene und latente Gegensätze anszugleichen, sich regelmäßig als verfehlt erwiesen hatte. Während die Erledigung des Budgets, die Beseitigung des im Staatshaushalte drohenden Deficits die wichtigste Frage für die neue Regierung ist, zeigte sich sehr bald, daß, noch ehe Bourgeois ein Ministerium zu constituiren vermocht hatte, unter den Candidaten für die verschiedenen Portefeuilles der heftigste Streit über die von Cavaignac an die Spitze seines Programms gestellte progressive Einkommensteuer entbrannte. Poincaro, der Finanzminister im Ministerium Dupuy, der im Interesse der „Concentration" für denselben Posten von Bourgeois in Aussicht genommen worden war, bekämpfte die progressive Einkommensteuer von seinem ge­mäßigten Standpunkte aus ebenso entschieden, wie sie von Cavaignac, der übrigens als Nachfolger des Generals Mercier das Kriegsportefeuille übernehmen sollte, als oonäitio sine gna non bezeichnet wurde. Nachdem bereits ein erster Versuch Bourgeois', den ihm vom Präsidenten der Republik ertheilten Auftrag zu erfüllen, mißglückt war, scheiterte auch ein zweiter, so daß der radicale Parteiführer auf seine Mission verzichten mußte.

Nun erst war Felix Faure in der Lage, sich an einen Vertrauensmann der gemäßigten republikanischen Richtung zu wenden, den er dann in Ribot gefunden hat. Dieser hatte unmittelbar, nachdem er im Jahre 1878 in die Deputirtenkammer gewählt worden war, sich dem linken Centrum angeschlossen und stets zu gemäßigten republikanischen Anschauungen bekannt. Als Führer des linken Centrums wurde er auch im März 1860 im Ministerium Freycinet mit dem Portefeuille des Aus­wärtigen betraut, wie er denn auch später zu wiederholten Malen der Regierung angehörte. In dem von ihm gebildeten Cabinet übernahm er das Ressort der Finanzen, während die Leitung der auswärtigen Politik in den Händen Hanotaur' verblieben ist, der im Ministerium Dupuy durch maßvolles, besonnenes Verhalten sich mannigfache Sympathien erworben hat. Da die progressive Einkommensteuer aus dem Programme des Cabinets Ribot von Anfang an als ausgefchieden gelten mußte, war es von Interesse, festgestellt zu sehen, wie sich die neue Regierung gegenüber der von den Ultraradicalen und Socialisten geforderten allgemeinen Amnestie politischer Verbrechen und Vergehen Verhalten würde. Wie in Frankreich das persönliche Element regelmäßig in den Vordergrund gerückt wird, spitzte sich auch die Amnestiefrage dahin zu, ob Henri Rochefort aus der „Verbannung" zurück- kehren und der jüngst gewählte focialistisch-revolutionäre Abgeordnete Gorault-Richard aus dem Gefängnisse entlassen werden sollte. Wegen schwerer Beleidigung des früheren Präsidenten der Republik, Casimir-Perier, zu einer längeren Freiheitsstrafe verurtheilt, war Gsrault-Richard zu dem Zwecke einer Demonstration gegen den