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Deutsche Rundschau.
in Bezug aus den unabhängigen Congostaat zustehe, das auch Belgien gegenüber geltend gemacht werden könnte. Von belgischer Seite wurde diese Austastung jedoch erfolgreich widerlegt, zumal sestgestellt werden konnte, daß unter Anderem durch die von den belgischen Kammern im Interesse des afrikanischen Gebietes genehmigte Anleihe eine von keiner Seite bestrittene concludente Handlung erfolgt sei. Die französische Regierung hat denn auch das Recht Belgiens, den unabhängigen Cougo- staat zu übernehmen, nicht bestreiten können. Nach den großen materiellen Opfern, die der König der Belgier, Leopold II., in der uneigennützigsten Weise lediglich im Interesse der Civilisation für das von ihm als Souverän beherrschte afrika- nische Gebiet gebracht, mußte es als sein gutes Recht erscheinen, die eigenen Be- sugnisse aus Belgien zu übertragen. In dem am 9. Januar d. I. zwischen diesem und dem unabhängigen Congostaate abgeschlossenen Vertrage sind die Bedingungen für die Uebernahme des asrikanischen Gebietes festgesetzt. Daß nach den, bei den letzten allgemeinen Wahlen für die Repräsentantenkammer von den Soeialisten errungenen Siegen gegen ein solches Abkommen Opposition geltend gemacht werden würde, konnte von Anfang an keinen! Zweifel unterliegen. Die Stellung der belgischen Regierung wird aber jedenfalls dadurch erleichtert, daß die von französischer Seite drohenden Schwierigkeiten aus dein Wege geräumt worden sind. In einer neuen Convention, die zwischen der französischen Regierung und dem belgischen Gesandten in Paris, Baron d'Anethan, jüngst unterzeichnet worden ist, wird das der französischen Republik zustehende Vorkaufsrecht nur für den Fall anerkannt, daß Belgien einmal auf den unabhängigen Congostaat ganz oder zum Theil Verzicht leisten wolle. Da die Bemühungen der Soeialisten in der belgischen Repräsentantenkammer, den am 9. Januar abgeschlossenen Vertrag zu verwerfen, sicherlich nicht zum Ziele führen werden, ist die Eventualität der Abtretung des afrikanischen Gebietes an die französische Republik zunächst ausgeschlossen. Andererseits ist diese in der Lage, für alle Zukunft zu verhüten, daß etwa England, gemäß seinen Expansionsplänen, Gebiete des unabhängigen Congostaates erwirbt. Unter Anderem muß das eine Zeitlang von englischer Seite gehegte Project, eine direete Verbindung zwischen der Cap-Colonie und Aegypten herzustellen, nunmehr als beseitigt angesehen werden Von dem Gesichtspunkte aus, daß die Ursachen zu Con- slicten auf dem längst nicht mehr dunklen Kontinente vermindert werden, wird die Uebernahme des neutralisirten unabhängigen Congostaates durch das gleichfalls neutrale Belgien als eine erfreuliche Thatsache für die Culturentwickelung gelten können.
Wie das Entgegenkommen der französischen Regierung in dieser Angelegenheit Anerkennung verdient, hat der Minister des Auswärtigen, Hanotaux, auch bei der Neubesetzung des italienischen Botschafterpostens in Paris den guten Willen betätigt, freundnachbarliche Beziehungen mit Italien aufrecht zu erhalten. Zeugte die Abberufung des früheren Botschafters, Reßmann, von einer gewissen Verstimmung, so durfte man mit Interesse der Wahl des Nachfolgers entgegensetzen. Da bei diplomatifchen Veränderungen dieser Art die Negierung, die eine Ernennung vollziehen will, sich zunächst vergewissert, ob die von ihr in Aussicht genommene Persönlichkeit genehm ist, darf als sicher angenommen werden, daß in Bezug auf den zum italienischen Botschafter in Paris ernannten Grafen Toruielli keine Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Regierungen bestanden hat. Allerdings ist daran erinnert worden, daß Graf Tornielli als Botschafter in London im November 1893 im Hinblick aus den englischen Flottenbesuch in den italienischen Gewässern nicht ohne eine leise Anspielung auf die enthusiastischen „Russenieste" in Toulon und Paris bei dem Lordmayors-Bankette ausführte, der herzliche Empfang der Engländer in Italien sei allzu selbstverständlich, als daß bei solchem Anlasse das Unterste zu oberst gekehrt würde. Für die diplomatische Wirksamkeit des Grafen Tornielli spricht es jedenfalls, daß mit Ausnahme einiger chauvinistischen französischen Organe und desjenigen Theils der italienischen Presse, der dem Conseil-