Politische Rundschau.
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Präsidenten Crispi systematische Opposition macht, an der Ernennung des neuen italienischen Botschafters in Paris keine abfällige Kritik geübt worden ist.
Mit großem Geschick schonte Crispi die Empfindlichkeit der französischen Regierung, indem er die Abberufung des früheren italienischen Botschafters in Paris, Reßmann, zugleich mit einem größeren „rkviremtznt« innerhalb des diplomatischen Corps anordnete. Mußten doch zugleich drei neue Botschafter ernannt werden, da neben den Posten in Paris und London auch derjenige in Petersburg frei geworden war. Wie die Ernennung des Grasen Tornielli zum Nachfolger Reßmaun's vom italienischen Standpunkte aus als eine glückliche bezeichnet werden darf, hat Crispi auch für London in der Person des Generals Annibale Ferrero und für Petersburg in derjenigen des früheren Gesandten in Bukarest, Grasen Curtopassi, allem Anscheine nach ausgezeichnete diplomatische Vertreter gesunden. Gras Curtopassi war der Reihe nach als Legationssecretär in Persien, London, Mexiko und Wien thätig, ehe er in Athen und später in Bukarest selbständig eine Gesandtschaft leitete. Er gilt als ein ausgezeichneter Kenner aller den Orient betreffenden Angelegenheiten, so daß er im Stande ist, seinem Lande aus dem Petersburger Posten werthvolle Dienste zu leisten. Nicht bloß in den politischen, sondern auch in wissenschaftlichen Kreisen muß die Ernennung des General Ferrero zum italienischen Botschafter in London großes Interesse erregen. Beschränkte sich doch bisher die politische Wirksamkeit des Nachfolgers des Grafen Tornielli im Wesentlichen darauf, daß er im Jahre 1892 in den Senat berufen worden ist. Im klebrigen waren die Studien und die hauptsächliche Beschäftigung des Generals seit geraumer Zeit der Wissenschaft, insbesondere der Geodäsie gewidmet, wie er denn auch bei verschiedenen internationalen Kongressen den Vorsitz geführt hat. Dem Einwande gegenüber, daß solche Studien und Thätigkeit nicht für eine hervorragende diplomatische Stellung zu befähigen scheinen, erinnert die „Risorma" in ihrem am 7. Februar den Veränderungen im diplomatischen Corps gewidmeten Leitartikel daran, daß General Menabrea, der Lehrer Annibale Ferrero's in den eracten Wissenschaften, sich später gleichfalls als ebenso tüchtiger wie gewandter Diplomat erwiesen hat.
Auf dem Botschafterposten in London wird General Ferrero zunächst keine schwierigen Angelegenheiten zu erledigen finden; die mißliche Situation, in die das Cabinet Rosebery gerathen, ist weniger durch die auswärtigen Beziehungen, als durch Vorgänge im Inneren herbeigesührt. Daß das Ministerium seine ohnehin precäre Mehrheit im Unterhause immer mehr zusammenschmelzen sieht, muß ihm die Erwägung der Auslösung besonders nahelegen. Allerdings Pflegt es in England ohnehin nicht zu geschehen, daß das Unterhaus eines natürlichen Todes stirbt; vielmehr wird es regelmäßig vor dem Ablaufe der Legislaturperiode heimgeschickt. Von Erfolgen auf dem Gebiete der auswärtigen Politik konnte in der jüngsten englischen Thronrede gleichfalls nicht die Rede sein. Wenn im Hinblick aus den Krieg zwischen China und Japan betont wird, daß England die erste günstige Gelegenheit benutzen würde, um das Ende der Feindseligkeiten herbeizuführen, so darf doch nicht verhehlt werden, daß vor dem Ausbruche des Krieges die englische Regierung bei einiger Entschlossenheit Wohl im Stande gewesen wäre, Unheil zu verhüten. Lord Salisbury wäre jedenfalls mit mehr Energie vorgegangen, während es sich gegenwärtig im Hinblick auf den Siegeszug Japans nur um platonische Versicherungen von Seiten Englands handeln kann, die auch durch die Adreß- debatten im Unter- und Oberhause kein besonderes Gewicht erhalten.