Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
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Du HOLDE Kunst!

Eine geordnete und zielsichere Lebensführung ist abhängig von der Unverrückbarkeit der Rangskala, an welcher der Mensch den Wert der Dinge abliest. Freilich ist das immer gleichgerichtete Werten kein Gut, das sich im Laufe des langen Lebens irgend­wann erwerben und von da ab ständig mehren läßt, sondern es muß als ein freies Geschenk schon im Neugeborenen ganz vor­handen sein. Wer dieser Gabe in der Betrachtung seines Lebens gewiß geworden ist, darf wohl von ihr auch reden, wenn er da­mit dem Spendenden die Ehre als Gegengabe zurückreichen möchte.

Dem Kinde, das mit den Fühlern seiner Seele noch ganz frei von aller geistigen Unterscheidung den Ort abtastet, an dem es wachsen muß, tritt im abgelegenen Dorf eine durch das Her­kommen geheiligte Wertordnung mit großer Autorität entgegen. Der Besitz an Ackern und Vieh bestimmt den Rang der Menschen. Es geht um Dinge, die sich mit den Händen begreifen und mit den Füßen betreten lassen. Hier liegt die Wollust des Besitzes ganz urtümlich noch im Getast, und der wirkliche Bauer wehrt sich darum auch mit Händen und Füßen gegen jede Schmäle­rung dieser Lust.

In den üppigeren Gegenden meiner Heimatprovinz gab es schon vor einem Menschenalter entartete Bauern, die ihre Söhne städtischen Berufen zuführten, ihren Besitz verkauften und dann als Rentner in die nächste Kreisstadt zogen. In Luhnstedt ist das auch heute noch nicht möglich, und vielleicht ist alter Bauernart aus den Erfahrungen der Geldentwertung eine neue Stärkung gekommen. Was ist denn Geldbesitz in unseren Tagen? Eine sehr abstrakte und unbäuerliche Angelegenheit. Ja, vor einem Men­schenalter war das noch anders. Peter Thieß verwandelte die Erträge seiner kleinen Landwirtschaft in Goldstücke, die er mit viel Schläue vor dem Zugriff der Diebe und Räuber auch der verkappten, die sich Sparkassen- und Bankbeamte nennen- zu sichern wußte. Es soll in seinem Hause eine große Zahl klügelnd

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