LANDSCHAFT DER VÄTER
Luhnstedt hat sein Gesicht dem Westen zugekehrt, als blicke es dem Lauf der Luhnau nach. Auf dem Wege, der aus dem Tal der Au nach Norden führt, gelangt man bald auf die Katzheide, wo es nur ein paar verstreute, einzelne Gehöfte gibt. Als erste geschlossene Siedelung von Bedeutung findet man hier das Kirchdorf Jevenstedt; aber weil es eine Meile entfernt liegt, muß es schon als Fremde gelten. Die Zusammenhänge, in denen hier die Menschen leben, sind weiter, verwickelter, unübersichtlicher und also auch gefährlich.
Nach Süden steigt der Weg aus dem Autal empor in eine anmutige Landschaft, die einer riesigen Naturbühne ähnelt. Von allen Seiten greifen die Bondenhölzer und die ganz freien Bauernwaldungen gleich Heckenkulissen in den Raum. An jeder Biegung des Weges stellen die Waldränder mit neuen, immer reizvolleren Verkürzungen und Überschneidungen dem Blick andere Bilder hin.
Man wandert, immer in sanftem Anstieg, auch wohl eine Zeit lang am Saum eines Bondenholzes hin, bis hinter dem Forsthaus die im Vorgelände sozusagen plänkelnden Wäldchen ihr Ende finden an der geschlossenen Waldmasse, die den Charakter der Staatlichkeit in einer besonderen Stattlichkeit ihrer Bäume sehr eindringlich geltend zu machen weiß. Eine Reihe hoher, dunkler Tannen sperrt den Weg, Wachtposten vergleichbar, die durch feierliche Unbeweglichkeit den Nahenden einschüchtern, dem sie gleich sehr von oben herab den Passierschein abfordern werden.
Der Gang durch den Tannengürtel teilt dem Wanderer etwas von der Erregung mit, die einen Grenzübertritt kennzeichnet. Und wie man sich wohl wundert, daß man unmittelbar nach der Feierlichkeit der Zoll- und Paßrevision so unbemerkt und unbeargwöhnt in den Alltag des fremden Landes eingehen kann, so findet man auch hinter den Tannen das Gleichgewicht der Seele bald wieder. Aber man ist nun doch in der Fremde.
Die Feierlichkeit der Postenkette freilich übernimmt-das La
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