CHRISTIAN RALF
Zwischen Neumünster und Rendsburg dehnen sich zu beiden Seiten der Eisenbahn weite Heidestrecken hin, die dem Landesunkundigen wohl ein kleines Grauen verursachen mögen. Einförmig braune, ungegliederte Flächen verleiten überall leicht zu der irrigen Annahme, diese Ode müsse nun so ins Unbegrenzte hinausgehen. Und wenn denn auch hier der Anschein weitgedehnten Unlandes einer Nachprüfung nicht lange standhält, so bleibt doch der Boden auch weiterhin minder fruchtbar. Von Natur ist er zum Hervorbringen wenig geneigt. Am liebsten zöge er sich die Heidedecke wieder über, die ihm die Menschen in zähem Kampfe entrissen haben; am liebsten setzte er unter ihrem Schutz den Schlaf fort, der ihm Jahrhunderte lang nicht gestört wurde. Ja, er muß ständig wachgehalten werden, dieser unlustige, träge Boden, der harte Arbeit karg lohnt und der denen, die sich über ihn beugen, nie die Zeit läßt, das Rückgrat mit der erwünschten Ausführlichkeit feiernd zu strecken.
Die spröde, strenge Schönheit dieses Landes kann wohl erst dem gereiften Menschen ganz aufgehen, und einer wundersüchtigen Knabenseele wird die stille und gebärdenarme Art seiner Menschen auch dann Anlaß zu eifernder Ungeduld, wenn vom Blute her der unlösbare Zusammenhang dieses Knaben mit den Geschmähten ‚gegeben ist.„Kann es in deutschen Landen eine Gegend geben“, so fragte ich in meinen Jugendjahren,„eine Gegend, in der man mit herzlicherer Verachtung von brotlosen Künsten spricht?“ Die Landschaft zwischen Neumünster und Rendsburg ist keinem Dichter je Heimat geworden, und unbestritten gilt hier das alte„Holsatia non cantat“. Alle Geisteskraft muß für„nutzbringende“ Arbeit aufgeboten werden, und es bleibt nichts verfügbar für das leichtfertige Spiel der Kunst. Sind die Menschen hier nicht hoffnungslos unter die Fron ihres kärglichen Bodens gebeugt? Ist es nicht besonders erregend, daß sie es im Grunde wohl. auch nicht anders haben wollen? Haben sie sich mit Enge und Gebundenheit nicht prächtig ausgesöhnt?
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