TRÄUME
Es ist das Vornehmen dieses Buches, ein Preis zu sein der guten Mächte, die mein Leben bestimmt haben. Woher aber sollte mir ein Wissen von ihrem Wirken kommen, wenn ich nicht auch den Widerstand des Bösen erfahren hätte? Wie könnte ich die Mächte rühmen, wenn ich nicht Zeuge ihrer Siege geworden wäre?
Keiner darf die Behauptung wagen, das Leben, an dem er zimmert und mauert, sei ihm unter den Händen und eigentlich unversehens zum Sakralbau gediehen. Es gehört aber zu einem sinnerfüllten Leben, daß im nüchternen und zweckbestimmten Raum der täglichen Arbeit der wilde, tägliche Lärm sich plötzlich verstummend und gezähmt hinstrecken kann wie unter hohe Gewölbe, in die durch verwandelte Fenster ein verwandeltes Licht fällt. Da müssen in einer spiritualen Mitte, die nicht mit der räumlichen eins zu sein braucht, unerwartet Kräfte aufgebrochen sein, vor denen böse Gewalten Schritt um Schritt weichen, bis der mühsam eroberte Raum durch hohe Mauern gesichert werden kann. In dem Kapellenkranz, der die Mitte halb umschließt, verrichten wir hie und da eine stille Andacht. Bevor aber eintritt, was geschehen muß, bevor die dämmerige Unendlichkeit neu zum Ort der täglichen Arbeit wird, lassen wir dem inneren Umgang einen äußeren folgen.
Da strecken scheusälige Wasserspeier ihre langen Hälse über den Dachrand hinaus. Da sind in Winkeln höllische Fratzen angebracht, und halb zerquetscht windet sich an der Basis dieser Portalsäule er selbst, der überwältigte Teufel. Hat sich der Bildner wirklich in diesen Scheußlichkeiten an seinem Auftraggeber gerächt für die erzwungene Arbeit an Heiligengestalten? War er des„trockenen Tones“ der Gläubigkeit so satt, daß er sich bei der ersten Gelegenheit als Spötter und Skeptiker ausweisen mußte? Nein, die Dämonen waren ihm so unbezweifelbare Wirklichkeit wie Gott selbst. Weder konnten sie ihm gleichgültig sein, noch auch wähnte er, sie im frommen Werk ganz überwunden zu haben. Sein Ruhm war es, einen umschlossenen Raum ihrer
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