Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
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Herrlichkeit die armen Sterblichen nicht ganz blende und über­wältige.

Immer in den folgenden Jahren kam im März eine Unruhe über mich, und im Warten auf Paula erfuhr ich, daß ich trotz aller Freiheit, die ich mir im Laufe eines Jahres erobert zu haben glaubte, im Grunde doch in den Hörselberg gebannt geblieben war. Als aber die sieben Jahre der Verzauberung voll waren, beobachtete ich an mir bei der Ankunft der Fahrenden eine Gleichgültigkeit, deren ich, obwohl sie mir die Freiheit bestätigte, keineswegs froh werden konnte. Ich sehnte mich vielmehr in die alte Sklaverei zurück und faßte den Entschluß, Paula zu lieben, groß und erhaben, wie es Art der Dichter ist, aber, da ich in­zwischen Lenau gelesen hatte, selbstverständlich unglücklich. Es gelang mir auch; denn Paula war mittlerweile etwa sechzehn Jahre alt geworden, und nach blöden kleinen Jungen stand ihr nicht mehr der Sinn. Die derben Zurufe der Burschen beantwor­tete sie mit einem kreischenden Lachen, das mir unmöglich ge­fallen konnte. Sollte mir da nicht mitten im schönsten Vorfrüh­ling die Vergangenheit als herbstlicher Wind von desGlückes Stoppelfeldern herüberwehen?

Aber das Unglück hatte keinen Bestand, und in der Folge be­mühte ich mich,Komedimakern gegenüber doch die selbst­genügsam lächelnde Überlegenheit des Seßhaften walten zu lassen. Ihrer bediente ich mich denn auch, als Herr Professor Unruh auftauchte. Es war im Oktober desselben Jahres, am Geburtstag meines Vaters. Die Gäste hatten sich abends vollzählig zusam­mengefunden, Hans Vollert war mit dem Erzählen im schönsten Zuge, und fast mußte man schon auf den Sang des Gerichtsdieners Schramm gefaßt sein. Da wurden auf dem Steinpflaster vor der Haustür Schritte laut. Das Gespräch riß jäh ab, und die Ver­sammelten sahen sich fassungslos an:Wer kann jetzt noch kom­men? In der Stubentür tauchte eine seltsame Gestalt auf: ein hochgewachsener, dürrer, schwarzhaariger, schwarzäugiger Mann in einem wallenden dunklen Radmantel. Jetzt riß er den gewal­tigen Schlapphut vom Kopf, daß ihm die schwarzen Strähnen über die Stirn fielen. In dem Gesicht war alles in zuckender Be­wegung, und nur die Spitzen des langausgezogenen schwarzen Schnurrbarts starrten unbeweglich und fast drohendin den Raum.

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