Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
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dorthin legen, wo wie aus Versehen zwei Bretter nicht fest an­einandergefügt waren. Wenn der Bauer Hans Vollert zum Be­such erschien, dann entdeckte ich in dem Zaun sogar ein Astloch. In einem Stubenwinkel saß ich und harrte kommender Dinge, und wenn es denn im Gespräch zuerst auch alltäglich zuging, manchmal zum Verzweifeln lange, einmal kam ganz unerwartet die Wendung.Man hört immer, Goethe soll tiefer sein als Schiller, ließ sich Hans Vollert vernehmen.

Dreifach ist der Schritt der Zeit: Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,

ewig still steht die Vergangenheit.

Soll man mir erst einmal beweisen, inwiefern Goethe tiefer ist! Das Lachen, das dieser Rede folgte, klang nicht anders, als habe er soeben einen spaßhaften Vorfall aus dem täglichen Leben des Dorfes erzählt; aber in seinen Augen stand ein schwärmerisches Leuchten und versonnen und wie Zauberformeln gebrauchend setzte er hinzu:Friedrich von Schiller und Johann Wolfgang von Goethe!

Dabei wurde mir klar, wie unmittelbar die Zauberkraft der Dichter mit ihrem Namen zusammenhängt. In Luhnstedt mit seinen immerwiederkehrenden Hans und Klaas, Jörn und Timm konnte es selbstverständlich keine Dichter geben. Dichternamen geben nicht den kurzen, plumpenden Laut, der etwa da entsteht, wo ein Junge einen Stein in den Dorfteich wirft. Sie kommen von weither hoch und mit majestätischem Rauschen heran, wie Wogen an der Küste des Ozeans.

Friedrich von Schiller! Der große und kluge Bruder warf mir zuweilen Dichterworte hin und deutete dabei wohl meinen Gesichtsausdruck als reine Verblüffung, an der er seinen Spaß hatte.

Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabne in den Staub zu ziehn.

Als einzige und völlig unzureichende Erklärung setzte er dann hinzu:Von Friedrich von Schiller.

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