Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
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die guten Mächte, deren Wirken ich erfahren zu haben glaube. Ihrem Preis und ihrem Ruhm ist alles geweiht. Wo kann ein Mensch die guten Mächte unmittelbarer erfahren als in sich selbst?

Dichtung, Musik, Sprache, Geist, Gott! Kaum sind die guten Mächte mit einiger Mühe einzeln namhaft gemacht worden, so fließen sie schon wieder ineinander und bekunden so ihren Willen zu inniger Verbundenheit. Da aber die Sprache in meiner Auf­zählung die Mitte hielt, wird es so sein, daß sie von links und rechts je zwei der anderen in sich aufgesogen hat. In der Sprache ist die Musik, der ganze sinnliche Zauber des Klanges, den der Geist, der von der anderen Seite herzutritt, aus der anfänglichen Unverbindlichkeit des Nur-Schönen schnell in die strenge Ver­pflichtung des Übersinnlich-Guten emporhebt. In der Sprache wird die Dichtung möglich, d. h. die Verdichtung des Univer­sums zu einem kleinen Klanggebilde. In der Sprache ist Gottes Dasein bewiesen. Unter den Händen der Berufenen vollzieht sich am unscheinbaren täglichen Brot der Sprache das Wunder der Wandlung. In der gedichteten Sprache ist Gott zu jeder Stunde gegenwärtig.

Die Landschaft der Väter und das Blut der Ahnen halten ihren Platz im Ring der guten Mächte. Aber der kreatürliche Mensch nimmt ihre Wohltaten dumpf und wie es scheint undankbar hin, Erst der geistige, und das heißt: der sprechende Mensch wird sich ihrer bewußt, und dadurch, daß er das unbewußt Empfan­gene in die Unvergänglichkeit der Sprache nimmt, genügt er zu­gleich den Forderungen der Dankbarkeit.

Solcherart verlangt das WortParadiespforte hier, in einer anderen Bedeutung genommen zu werden. Von der sinnlichen Anschaubarkeit, von den Erinnerungen etwa an eine Bilderbibel befreit, geht es hinüber in eine Bildlichkeit von mehr geistiger Art. Da erscheint die Sprache als Pforte, die den Eintritt in hohe Hallen freigibt, die alle Wunder und Wonnen des Lebens im Geist uns erwandelbar macht.

Weil mich die Sprache mit himmlischer Gewalt ergriffen hatte, fing ich als Siebenjähriger an, Packpapier mit Märchen und Ver­sen zu beschreiben. Nicht anders fühlte ich mich zu solchem Tun gedrängt als es die Spinne treibt, ihr Netz zu spannen, und heute,

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