Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
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nach mehr als vier Jahrzehnten, ist das Schreiben immer noch mein wesentliches Anliegen. Mir war also Zeit gegeben, an Tassos Er­fahrung das eigene Erleben immer wieder und immer gründlicher zu messen, und nach langer Prüfung darf ich wohl auch sagen: Wenn ich nicht sinnen oder dichten soll, So ist das Leben mir kein Leben mehr.

An Versuchen, dem Seidenwurm das Spinnen zu verbieten, hat es freilich nicht gefehlt, und meistens gab ich mir selbst den unausführbaren Befehl. Auch hatten die geschichtlichen Erdstöße zwischen 1890 und 1940 wahrlich Gewalt genug, einem abseiti­gen Wanderer den nicht sehr klar vorgezeichneten Weg zu ver­schütten und ihn zu einer Änderung der Richtung zu zwingen.

Wer sich solchen Widerständen gegenüber behaupten will,

Und wer sich rüsten will, muß eine Kraft Im Busen fühlen, die ihm nie versagt.

Der Beweise für das Versagen dessen, der mit sich immer allein bleibt, sind beschämend viele, und beim Wandern auf einem Wege, der mir zugewiesen wurde, ist die Kraft zum Ausharren nicht in mir selbst entsprungen. Sie muß mir zugeflossen sein. Wie ein Kind an der Hand des Vaters bin ich, zuweilen wohl in Angst erschauernd, aber im ganzen doch vertrauensvoll durch einen dunklen Wald geschritten. An den Rändern des Weges lärmten die drohenden, gewalttätigen Mächte. Aber die Übermächte zo­gen mich vorwärts mit einer Gewalt, die eben, weil sie aus der Übermacht kommt, wieder still und sanft sein darf.

Preis der guten Mächte also, und keine Biographie! Darum sind auch die einzelnen Teile dieses Buches nicht streng am Leit­faden der Zeit aufgereiht; sie haben unter sich nicht den Zu­sammenhang, den die Geschichte fordert. Vielmehr möchten sie die wunderbaren und seltenen Augenblicke darstellen, in denen das niedergehende Leben sich zu stauen scheint.(Denn der Bach geht von allem Anfang her nieder und ist darin vom Strom nicht unterschieden.)

Der Zauber dieser Stockung bemißt sich nicht nach dem Ge­wicht des angesammelten Wassers. Überwältigend wirkt er noch aus dem Geringsten. Die Feuchte eines nebligen Herbsttages sam­melt sich im Schlehenhag an den Dornen und rieselt an ihnen nieder, bis an den Spitzen in weiten Abständen wieder und wie­

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