Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
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bogiger Türrahmen sichtbar, die Paradiespforte. Sie gibt durch die Vorhalle den Weg frei in einen Lebensbau, der als Stätte der Verehrung dem Höchsten zugedacht war. Und hier sehe der Mensch sich um!

In dem Bau, der mir vorschwebte, sollte allen guten Mächten ihr Altar aufgerichtet werden, und so nahm ich mir, wenn immer meine Mittel auch nur für eine schlichte Kapelle reichten, doch um des hohen Beispiels willen Dombaumeister zum Vorbild. Am Ufer des Stromes begann ich meine Arbeit. Als aber die Mauern erst halbhoch aus dem Grund ragten, zeigten sich in ihnen schon Risse und Sprünge. Inzwischen hatte eine Stromregulierung den Grundwasserspiegel niedergedrückt, und meine eichenen Träger im Fundament folgten der Senkung von oben her mit ihrem Vermorschen. Die Jahre halber Traumbefangenheit lagen hinter mir, und nach dem völligen Erwachen hatte ich vielen rationalen Regulierungen von Herzen zugestimmt. Grundwasser! Ein schö­nes, dunkles Wort! Unseren Vorfahren sickerte es schon die kleine Grube voll, die sie mit einem einzigen Stich ihres Spatens ausgehoben hatten. Unser metaphysischer Grundwasserspiegel ist gesenkt worden, und das war wohl nötig um der gewaltigen rationalen Taten willen, die das Menschengeschlecht in diesem Jahrhundert und im vergangenen vollbracht hat.

Dies alles wirkte hinüber auf meinen Bau. Die Risse verbrei­terten sich, und ich mußte die Fundamente aufgraben, um von ihrem Zustand eine richtige Vorstellung zu gewinnen. Schlimm war der Anblick; aber nicht heillos. Die Zeit setzte mir mit ihrer verstandesklaren Beredsamkeit zu und wollte mir beweisen, daß ich das Begonnene in Trümmer sinken lassen müsse, um an an­derer Stelle einen anderen Bau zu beginnen: einen lichten, un­verstellten Raum, in dem sich gute Maschinen gut aufstellen las­sen. Ich habe mich aber entschlossen, die bedrohten Mauern neu zu unterfangen mit einem Material, dem rationale Stromregulie­rungen nicht beizukommen vermögen. Das ist nicht im Eigensinn geschehen und nicht in ohnmächtigem Trotz. Wohl sind die Wasser der Tiefe tiefer hinabgesickert; aber sie haben sich nicht verloren. Wie sollten wir denn ein menschliches Leben führen, wenn nicht auch unsere Maschinenhäuser noch über ihrem Rauschen stünden. Meine Hände sollen wahrlich in der verkrampften Umklamme­

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