Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
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Aber es war eine Stunde des reinsten Glückes, eine geweihte, eine heilige Stunde. Wir wollen ihr nachträumen, dieser unsag­baren Stunde,

Die kleine Kiste umschloß mich so eng und sicher wie die Eischale den kleinen Vogel vor dem Ausschlüpfen. Mit dieser Enge war der Weite des Zimmerraumes das Beängstigende ge­nommen. Wie ein schützender Vorhof lag sie um meine Ge­borgenheit gebreitet. Hinter den Fenstern begann ein anderer Bezirk. Wenn auch die Linden da draußen sich gegenseitig mit ihren kahlen Zweigen peitschten: das Bild hatte nichts Erschrek­kendes. Auch das ganze Unabsehbare, die Ferne, in der die Lin­den stehen, auch sie ist wieder Vorhof zu einem Vorhof. So schachtelt sich eines ins andere, so legt sich eine Hülle um die andere, und das Drohende, das Geheimnis, das der kleine Knabe in Augenblicken des Verlassenseins nahe gefühlt hat, heute bleibt es gebannt am Rande des alleräußersten Vorhofs. Und dieser Vorhof liegt schon außerhalb der Welt. Es ist wie ein Rückfall in das Leben vor der Geburt, in die Geborgenheit unter vielen Hüllen und ist zugleich etwas ganz Anderes, ihm Entgegen­gesetztes, ein erregend Neues.

Gewiß war mir ein Spielzeug in die Kiste gelegt; aber ich habe es nicht beachtet. Einmal erschien mein Vater in der Tür, lächelte mir zu und sprach ein freundliches, nur mit der Seele verstande­nes Wort. Ich sah ihn wie durch die offenen Türen einer endlosen Zimmerflucht in großer Ferne stehen. Ich rief ihn nicht an, suchte ihn nicht für ein Spiel zu gewinnen. Es war wohl gut, ihn in einem der vielen Vorhöfe zu wissen; aber im Kern der Welt wollte ich nun allein sein.

Ja, ich weiß gewiß, daß ich diesen Wunsch hatte. In dieser Gewißheit lasse ich mich nicht beirren durch die lebhaft empfun­dene Verpflichtung, der kleinen, beschwingten Stunde nachträg­lich keine Gedankenlast aufzubürden, die sie nicht tragen könnte. Sie will ganz sanft, ganz behutsam angefaßt sein, die stille, ein­same Stunde. Und enthält nicht schon das Wortanfassen, ob­wohl ihm die mildernden Bestimmungen fürsorglich beigegeben wurden, zu viel des täppisch und roh Zudringlichen? Hier frommt kein zueignendes Greifen der Hand. Hier hilft nur eines: dem Schmetterling die Hand hinzustrecken in der Hoffnung,

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