Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
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Augenblick aufrecht und gesammelt in der Luft, wie am wind­stillen Morgen Rauchsäulen unbeweglich über den Häusern ste­hen. Der Zugwind neuer, bunter Erlebnisse griff in den Nachhall des Rufes und zerstreute ihn, so daß ihm wie ich lange meinte kein Auftrag folgen konnte.

Da ich aber im Jahr nach dem Erlebnis mit dem Psalm wie traumbefangen anfıng, Märchen und erste Verse ungeschlacht auf rohes Papier zu schreiben, muß es doch mit beidem seine Richtig­keit gehabt haben: mit dem Anruf und dem Auftrag.

In unruhiger Zeit gab es der Verlockungen genug, die mich von dem anbefohlenen Weg abziehen wollten auf andere, denen ge­wiß der Vorteil längerer Erprobtheit und größerer Geselligkeit eignete. Und wenn ich nun sage, daß ich trotz allem Richtung und Gehorsam gehalten habe, so befällt mich in der Freude zu­gleich ein jähes Erschrecken. Vergesse ich der Demut? Ich rühme mich ja nicht um meiner Beharrlichkeit und Findigkeit willen, ich rühme die Stärke und Unentrinnbarkeit des Herrn. Ist schon im Bereich des Menschlichen der Gehorsam oft weniger Tugend und Verdienst des Ausführenden als vielmehr fortwirkende Gewalt des Befehlswortes, so verliert in der Begegnung mit Gott der Ge­horsam seine Verdienstlichkeit ganz.

Es sollen hier nicht die kleinen Begebnisse meiner Jugendjahre wichtigtuerisch und selbstgefällig ausgekramt werden. Verloren eingesprengt aber in das erstarrte Gestein meines vergangenen Lebens findet sich hier und da ein Aderchen Gold. Hin und wie­der geschah meiner Seele die Gnade, daß sich in ihr die Trans­formation des göttlichen Wirkens ins Menschliche an einem klei­nen Punkt erfüllen durfte. Aus einem unendlichen Brande fiel ein Funke in meine Seele. Von der Möglichkeit dieses Vorgangs will ich Zeugnis ablegen. Das Erlebnis selbst zwar ist einmalig und unwiederholbar. Doch kann der wunderwirkende Odem der Sprache unter Bergen von Asche das Knistern und Sprühen des Augenblicks der Wandlung neu gegenwärtig machen. Mein Mü­hen gilt diesem Werk.

Wenn es mir mißlang, so haben dennoch auch in unserer Zeit andere tröstlich bewiesen, daß dem dichterischen Wort diese Ge­walt gegeben ist. Wo die Sprache der echten Eingebung gewür­digt ist, da überwindet sie die menschliche Unzulänglichkeit, da

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