ihrem Rande lauerte. Ich konnte also durch mein Wort den Weltuntergang mitverschulden. Indessen wuchsen meine Zweifel an Lenas Weissagungen immer mehr. Eines Tages brach ich das Schweigen, und mein älterer Bruder verstand es, mir die letzten Sorgen zu nehmen. Nun ist auch die sozialdemokratische Gefahr abgewendet, und die schöne Welt verspricht wieder Dauer.———
Träumend sitze ich an meinem Bach. Wieder einmal ist die Welt vollkommen geworden in dem Augenblick eines ganz gegenstandslosen, ganz überirdischen Glücksgefühls. Stille und Alleinsein haben ihm den Weg bereitet, Die Kinder müssen sich alle in einem entfernten Teil des Dorfes zum Spiel zusammengefunden haben. Die Erwachsenen liegen noch im Mittagsschlaf.
Eben war die Welt vollkommen. Sie ist zwar auch weiterhin noch schön; aber es muß doch etwas geschehen sein. Läuft da draußen ein Wolkenschatten über die Wiesen? Immer ist meine Seele zweigeteilt zwischen unendlichem Vertrauen und geheimer Angst, zweigeteilt wie die Wasser zwischen tatenfrohem Vorwärtsdrängen und träumerischem Verweilen. Immer wieder steigen andere Bedrohungen auf.
Plötzlich kommt über die Wiesen her aus der Ferne ganz deutlich der Ruf:„Bismarck ist tot!“ Und dann ist wieder alles still. Über dem Wasser ist das flirrende Spiel der Sonnenflecke still geworden. Ist nun die Sonne von Wolken ganz verhängt? Mir ist wie einem Reh, das in der Ferne einen Schuß gehört hat. Mit fliegenden Flanken und verängstigten Augen steht es im Dickicht, von dessen grünen Wänden es meint, sie seien mit einemmal durchsichtig geworden.
Es klang so unheimlich:„Bismarck ist tot!“ Die vertraute Stille ist jetzt geheimer Drohungen voll. Weh, weh, wieder ist sie zerstört, die schöne Welt. Das Ungewisse kriecht heran aus allen Höhlen, davor der giftige Bittersüß wuchert.„Tot! Tot!“ hallt es in mir nach.„Tot! Tot!“ flüstern meine Lippen, und das Wort füllt mir den Mund mit seinem bittersüßen Geschmack. Da kann kein Mensch gerufen haben; die geängstigte Welt schrie auf: „Bismarck ist tot!“
Ich springe auf, durchbreche das Gebüsch und eile ins Haus. Es treibt mich zu meiner Mutter. Dies ist der 31. Juli 1898.—
Sechzehn Jahre später, als ich für die Dauer der Ferien ins
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