sorgen konnte, war auch niemals einer gewesen. Stina Ralf betrieb für Rechnung eines Nortorfer Bäckers einen kleinen Brothandel,„güng mit’n Stutenkorw“, wie man bei uns zu sagen pflegt, konnte also nur einverstanden sein mit der Wendung, die die Dinge durch die Flucht ihres Sohnes genommen hatten. Und Frau Bock lernte bald, das Unvermeidliche hinzunehmen. Es blieb ihr wohl auch nichts anderes übrig; denn Christian Ralf wollte nun einmal etwas lernen.
Als aber mit dem Vorrücken der Jahreszeit der Knabe am Morgen sowohl als auch abends seinen langen Schulweg in tiefem Dunkel zurücklegen mußte, da setzte ihm Vadder Bock noch einmal kriegerisch mit Vernunftgründen zu. Jetzt heiße es aber in Eisendorf bleiben; er könne ja nach ein paar Monaten wiederkommen. Christian Ralf ließ derartiges, wie immer, ohne Widerspruch über sich ergehen, und der Gutgläubige konnte sich verleiten lassen, die gesenkte Haltung des Kopfes als beschämte Zustimmung zu deuten. Hätte ihm Vadder Bock von unten ins Gesicht sehen können, so wäre ihm am Munde der Zug eigensinniger Entschlossenheit sicher nicht entgangen. Der Knabe war am nächsten Morgen wieder zur Stelle und begegnete allen Vorhaltungen mit einem entwaffnenden Weinen. Vadder Bock ist in jenem Winter wegen der nächtlichen Wanderungen einer immerwährenden leisen Angst nicht ledig geworden. Aber die hellen Tage kamen wieder, und in dem nun folgenden Sommer erwarb der Eindringling in der Seedorfer Schule vollends das Bürgerrecht.
In diesem Sommer erlangte Vadder Bock Gewißheit, daß er die besser dotierte Stelle zu Klein-Vollstedt im Bezirk des Gutes Emkendorf zu Michaelis bekommen werde. Er verfehlte nicht, vorbereitend seinem sonderbaren Schüler von der bevorstehenden Umwälzung bedeutsam Mitteilung zu machen; aber Christian Ralf tat so, als wenn er für seine Person mit solchen Nachrichten nichts weiter anzufangen wisse. Wenige Tage vor dem Umzug also mußte der Lehrer mit ihm eine schonungslos deutliche Sprache reden:„So, Christian Ralf, nun hat dies alles ein Ende! Du kannst nicht täglich zweimal einen zweistündigen Schulweg machen. Es hilft nichts, du mußt wieder in Eisendorf die Schule besuchen.“
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