Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
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sich einen Augenblick über der Oberfläche gebläht hatten, mit sonderbaren Lauten zerplatzten, da durfte Christian Ralf diesen Vorgang unmöglich mit seinem Schleef stören. Denn jetzt ver­nahm er aus dem Platzen der Blasen griechische Konsonanten. Er saß wie erstarrt, bis, durch einen brenzligen Geruch von irgend­wo herbeigezogen, Frau Bock mit argem Geschrei in die Küche stürzte. Da machten ihr Mann und der Herr Pastor gar ein Auf­heben von diesem Jungen, der so dumm war, daß er nicht einmal das Anbrennen der Grütze verhindern konnte.

Es ist wenig überliefert von allen Träumen, Plänen und Grü­beleien, die in diesen Jahren den werdenden Geist bedrängt haben mögen. Gewiß ist aber, daß sich gegenüber dem Ansturm geisti­ger Gewalten die schmächtige Körperlichkeit nur mit Mühe be­haupten konnte. Christian Ralf hatte unter dem Dach des Schul­hauses sein ärmliches Kämmerchen. Wenn in Herbstesnächten die Linden unter dem Fenster im Sturm so wild rauschten und stöhnten, dann tappte es wohl in später Nacht leise in das Schlaf­zimmer der Eheleute Bock. Mit einem gewaltigen Schreck fuhren die guten Leute aus ihrem Schlaf empor; denn dort in der Tür stand wie eine Erscheinung ein blasses Kind mit Augen, die ein großes Entsetzen unnatürlich geweitet hatte. Und weinend ge­stand Christian Ralf:Ich kann es da oben nicht aushalten! Der Sturm! Der Sturm!

Vadder Bock und seine Frau haben schon ihre Sorgen gehabt mit diesem fremdartigen Menschengewächs, das wie ein Wunder mit zauberschönen Blüten aus dem dürren Sand der holsteini­schen Heide emporgeschossen war.

So wuchs der Knabe in das konfirmationsfähige Alter hinein, und es stellte sich nun die Frage der Berufswahl mit größerem Nachdruck. Oft hatte Vadder Bock vor seinem Schüler und Pflege­sohn einzelne Berufe mit einer ermunternd übertreibenden An­preisung ihrer Vorzüge ausgebreitet. Aber der Junge hatte nur immer in stummer Ablehnung seinen Kopf geschüttelt. Im Jahre 1845, ein Jahr nach der Eröffnung des Eisenbahnverkehrs zwi­schen Altona und Kiel, war auch die Strecke NeumünsterRends­burg fertiggestellt worden. Jungen mit guter Handschrift und einiger Rechenfertigkeit war Gelegenheit gegeben, in Beamten­stellungen ein gutes Auskommen zu finden. Man hatte ein sicheres

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