Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
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und, im Vergleich mit dem Leben eines Tagelöhners oder Hand­werkers, ein müheloses Brot, man war mitbeteiligt an dem gro­ßen Werk, ein neues Zeitalter heraufzuführen, man trug eine Uniform, diesich glänzend heraushob aus dem verwaschenen Grau einstmals blauer Leinenkittel der bäuerlichen Umwelt, man war ein Stück Obrigkeit. Aber diese und andere Lockungen hatten über Christian Ralf keine Gewalt, und wenn Vadder Bock mit allen Ränken der Überredungskunst diese Vorzüge ins Licht hob, so nickte der Zuhörer wohl, aber sein Gesicht war dennoch ein einziger großer Vorbehalt: Alles schön und gut; aber für Chri­stian Ralf war doch wirklich von dem allen nichts geeignet.

Was hast du dagegen einzuwenden? forschte Vadder Bock. Da kamen dem nun schon halbwüchsigen Burschen schimpflicher­weise doch wieder die Tränen:Wenn ich doch nur nicht mein ganzes Leben über Zahlen verbringen soll!

Das war ein sehr eigentümliches Wort; denn Zahlen sind dem Schleswig-Holsteiner durchweg ein sehr liebes Ding. In Zahlen gibt man seinen Besitzstand an, in Zahlen drückt man dessen Wachstum aus, und wenn überhaupt Reden und Überlegen Hand und Fuß haben soll, so müssen Zahlen darin vorkommen. Auf einer höheren Wertstufe erscheint diese Lust an Zahlen wieder in mathematischen und astronomischen Neigungen. Dieser Junge aber schlug ein Kreuz, da ihm das Wühlen in Zahlen als Lebens­beruf vorgeschlagen wurde. Der gute Vadder Bock konnte wieder einmal nicht umhin, gegenüber so vermessenen, lästerlichen Reden gewaltig aufzubrausen, und wieder einmal hörte Christian Ralf die schon oft vernommene Frage:Was willst du denn eigentlich?

Dem Befragten war während der Jahre im Schulhause sein fernes Ziel in deutlicheren Umrissen erschienen. Und in dieser Stunde des Kampfes überwand er seine Scheu und ging über das sehr unbestimmteIch will etwas lernen hinaus:Ich will stu­

dieren! = Vadder Bock mußte sich in seinem Entsetzen nach einer Stütze _ umsehen:Mein Gott, Junge, was hast du dir in den Kopf ge­setzt!

Neben der unbeantwortbaren Kostenfrage bewegte den schlich­ten, bescheidenen Mann, der so willig die Autorität des Pastors und des Grafen von Reventlow-Criminil anerkannte, die un­

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