Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
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die Wunder der klassischen Sprachen. Das war doch etwas ande­res als die kümmerlichen Auseinandersetzungen, die er über den­jben Gegenstand von Zeit zu Zeit mit seinem Sohn hatte. Und bei war doch dieser sein Sohn im Gymnasium mit aller Ge­mächlichkeit auf einem ofterprobten Wege vorwärtsgeschoben orden. Vom Nebenzimmer her ließ sich wieder mit gesteigerter ngeduld die Stimme der Frau Pröpstin vernehmen:Der Kaf­fee ist ganz kalt geworden. In demselben Augenblick erschien "sie auch auf der Schwelle, und es entspann sich zwischen den Ehe­leuten folgender Dialog: Die Frau Pröpstin:Mein Gott, was will denn dieser Junge eigentlich? Der Herr Propst(bedeutsam, wie zur Achtung vor dem Ernst des Anliegens mahnend):Der will etwas lernen.

Die Frau Pröpstin(leichthin):Nun, und weiß er denn schon etwas?

Der Herr Propst(noch bedeutsamer):Ja siebenmal mehr als dein Johannes. Es ist erheiternd, wie hier die eigenartige innere Bewegung in

die Sprache des geistlichen Herrn sofort biblische Anklänge hin­

einbringt, erheiternd auch, wie er seine Hände in Unschuld wäscht, wie er die Verantwortung für die nicht eben erstrangigen humanistischen Leistungen des Sohnes seiner Frau durch Ab­leugnen der gemeinsamen Urheberschaft allein zuwälzt, und. wie er seiner eigenen Beschämung durch eine leise Verächtlichmachung der Frau Herr zu werden sucht. Der Propst, Mann der weiterreichenden Verbindungen, ließ sich nun die Sorge für den Besessenen angelegen sein, und eines Tages fuhr Christian Ralf nach Altona, um Schüler des dortigen Gymnasiums zu werden. In den Ferien besuchte er hin und wieder seinen Vadder Bock. Für den Aufenthalt auf der Ge­Jehrtenschule waren die nötigen Mittel zusammengebracht. Was dann werden sollte, darüber konnte noch kein Mensch etwas sagen. Aber auch in der hohen Würde eines Lateinschülers der oberen Klassen schien Christian Ralf nicht den nächsten Weg wählen zu wollen. Es wäre mit der Hilfe von Stipendien allen­falls möglich gewesen, ihn auf der heimatlichen Universität schlecht und recht Theologie studieren zu lassen. Aber Vadder

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