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aus dem Osten herrauschend, den Baum der abendländischen Kultur mitgenährt haben. Und war der begeisterte Schwung des Vortrags den Jahren des jungen Dichters völlig gemäß, so stand zu der kleinen Zahl dieser Jahre die Fülle der schon verarbeiteten Kenntnisse in einem erregenden Gegensatz.
Für mich kam die Erzählung hier auf ihre Höhe. Zwar waren meinem Vater von der Dichtung nur die beiden ziemlich belanglosen Anfangsverse im Gedächtnis geblieben; aber eben weil ich viele Jahre lang nur diese beiden Zeilen kannte, haben sie mich so tief beschäftigt. Durch sie sah ich wie durch ein Gitter in einen Garten hinein, der darum aller Wunder voll sein mußte, weil mir der Zugang verwehrt war. Erst viele Jahre später saß ich eines Tages über vergilbtem Papier, einer fehlerreichen und lükkenhaften Abschrift der Dichtung von Christian Ralf.
Es war wie eine wesentliche Erfüllung in meinem Leben, da ich das einzige unmittelbare Zeugnis dieses leidenschaftlichen Jünglingslebens in den Händen hielt. Immer wieder klingen in der Dichtung Worte wie„Morgenrot“,„Frührot“ und„Sonnenaufgang“ an, Worte der Hoffnung und der Verheißung. Wenn auch hier und da fühlbar wird, daß der Jüngling nebenher für den besonderen Zweck eine Werbeausstellung seiner ungewöhnlichen Kenntnisse vor den staunenden Hörern aufbaut, wenn auch der machtvoll hinrauschende Rhythmus langgestreckter Zeilen nicht überall gefordert wird von der Notwendigkeit, einen majestätisch hinziehenden Gedanken in würdig weite Räume zu bringen, wenn leerbleibende Stellen mit nicht erforderlichen Umschreibungen und Wiederholungen schlecht und recht ausgestopft werden, so ist doch ein Dichter am Werk, dem es darum geht,
„in das Heiligtum des Wortes und in seinen Kern zu dringen,
ihm den Sieg und seine Seele und die Schönheit abzuringen“. Schon ist ihm das Wort mehr als ein Vehikel, das sich mit einer immer irgendwie zweckgerichteten Begriffsfracht beladen läßt. Gelehrte geben sich oft mit dieser Verwendung des Wortes zufrieden. Der werdende Dichter aber liebt es um seiner selbst willen; er versinkt vor dem Wort als dem unmittelbaren Zeugnis einer hohen, unbegreiflichen Urbildnerkraft immer wieder in das heilige Staunen, das allem Dichtertum Anfang ist.
Mit der Schilderung der Abschiedsfeier in Altona schritt die
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