Stafstedt, Brinjahe oder Embüren durchaus zufrieden sein würden.“
Wir wollen hier nicht weiter vorstoßen gegen die Grenze, hinter der die vordergründige Einfachheit des bäuerlichen Lebens vieldeutig wird. Es sollte mit allem Vorangegangenen nur eine Ahnung vermittelt werden von der Unerschütterlichkeit, mit der die dörfliche Rangordnung allen Bedrängnissen trotzt.
Und nun stelle man sich ein kleines Dorfkind vor, das im Sommer seines dritten Lebensjahres zum erstenmal ganz ohne Wartung in die Freiheit der Straße entlassen wird. Da steht es an der Pforte des Vaterhauses und sieht einer Staubwolke entgegen, die sich beängstigend heranwälzt. Ein älteres Geschwister erklärt ihm:„Da kommt Johann Rohwers Dienstjunge mit den Kühen.“ Die Tiere ziehen vorbei; eine unabsehbare Herde. Die einen gehen geduldig dahin; es brüllen die andern, und die dritten gar sind ungebärdig und lassen die Hörner bedrohlich spielen. Wird nicht das Kind überwältigt sein, wenn. anders ihm bäuerliche Augen vererbt wurden?„28 Kühe!“ sagte der ältere Bruder mit einer großen Andacht im Klang der Stimme. Der Knirps weiß zwischen achtundzwanzig und hundert Millionen noch keinen Unterschied zu machen; aber die Andacht ist auch in ihm. Den langen Zug beschließt der Dienstjunge, der seelenruhig seinen Blick über das Gewoge der braunen Leiber schweifen läßt, der die Geruhsamen seines herrscherlichen Wohlwollens versichert, den Ungebärdigen aber Gräßlichkeiten androht, für die er sich ja wohl stark genug fühlen muß. Gewiß wird das Geheimnis seiner Stärke in der gewaltigen Peitsche ruhen, die er schwingt.— Wenn dann wenig später der Schuster Claus Stamp seine beiden Kühe vorbeitreibt, still, anspruchslos und nur mit einer unscheinbaren Haselgerte aus dem Knick bewehrt, soll da dem kleinen Knaben nicht klar werden, daß Johann Rohwer ein gewaltiger Mann und Claus Stamp eine Belanglosigkeit ist? Vielleicht versäumt es seine Mutter der drängenden Arbeit wegen, ihn an diesem Tage rechtzeitig ins Bett zu bringen. Da erlebt er noch, wie derselbe Dienstjunge nach Feierabend die Pferde auf die Weide bringt. Er reitet stolz auf seinem Königsroß vorauf, und die andern folgen ihm willig. Die Pferde sind abgearbeitet, und der Bauer hat ihrem Hüter die zusätzliche Beanspruchung
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