Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
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im Spiel strenge verboten. Da aber eben hier der Steindamm endet und der weiche Sandweg beginnt, so kann der Hufschlag nichts mehr verraten, und der Dienstjunge wagt einen Trab, den er, da er weiß, daß ihm der Kleine da so sehnsüchtig und voll Verehrung nachschaut, in einen Galopp übergehen läßt. Aber nun ist die Mutter ihres Säumens inne geworden und hat den Kleinen ins Haus geholt. Sie streift ihm das Kleid über den Kopf, und dem Jungen wird beim Anblick dieses beschämenden Klei­dungsstückes klar, daß er einstweilen denn doch noch kein Mann ist. Schon im Kampf mit dem Schlaf, erzählt er noch:Johann Rohwer hat 28 Kühe, fragt er noch:Wann bekomme ich Ho­sen?, und eine seelenkundige Mutter lächelt und sieht alle Zu­sammenhänge. Das Kind schläft ein und träumt von Kühen und Pferden und einer märchenhaft großen Peitsche.

Wohl war es schön, auf einer verträumten Wiese am Wald­rand die Kühe hüten zu müssen, und Seligkeit war es, auf unge­satteltem Pferd das Redder so entlang zu galoppieren, daß Som­merhut und Holzpantoffel nacheinander in hohem Bogen in den Knick flogen. Dennoch war meine Wertskala der Dinge von der meiner Genossen im Dorf verschieden. Da ich sie aber von allem Anfang her ohne jede Anstrengung gegen den Ansturm der Um­welt aufgerichtet tragen konnte, muß sie mir wohl von einem Höheren ans Herz und an die Seele geschmiedet sein. Jörn Sie­vers, mein Freund und Nebenmann auf der Schulbank, war Sohn eines Vollhufners, der Kühe und Pferde in achtunggebietenden Mengen besaß und der sich in seiner Ehre als Pferdezüchter schwer beeinträchtigt gesehen hätte, wenn er je genötigt gewesen wäre, ein Tier unter tausend Mark loszuschlagen. Was hatte ich dem entgegenzusetzen? War ich nicht Kind sogenannterkleiner Leute, Sohn eines Böttchers? Durfte ich es überhaupt wagen, gegenüber den Reichtümern meines Freundes von zwei Schwei­nen, einer Ziege und einem halben Dutzend Hühnern zu reden, noch dazu, wenn die Ziege doch erwiesenermaßen ein lächer­liches Tier ist? Wir lebten als wertende Wesen auf verschiede­nen Ebenen, wie man heute sagt. Wenn Jörn Sievers was ich nicht einmal glaube manchmal mit der Lanze der Geringschät­zung gegen mich ausgefahren sein sollte, so hat er ins Leere ge­

stoßen, und wenn ich ihm als Zwölfjähriger meinen köstlichsten

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