Besitz, Theodor Körners sämtliche Werke in grünem Leinen mit goldener Rückenprägung, auch in der Hoffnung zeigte, er müsse vor einem solchen Schatz doch endlich die Unerheblichkeit des väterlichen Pferdebesitzes erkennen, so war das eine ungeheure Eselei. Es gab in Luhnstedt ein paar sehr ernste und schweigsame Bauern mit strengen, schmalen Nasen und kühlen grauen Augen, aus denen mich in der Erinnerung über vierzig Jahre hinweg noch heute derselbe Vorbehalt und dasselbe Mißtrauen ansehen. Ich glaube bestimmt, daß sie in mir den windigen Gesellen geahnt haben, den haltlosen Liebhaber des bunten Flitters, den Rebellen gegen ihre dreimal heilige Ordnung der Werte.
Mir waren die Schätze, die unser kleines Haus barg, um alle Wiesen und Acker der Gemarkung Luhnstedt, um alle Kühe und Pferde aller Ställe nicht feil. Von den Büchern sei noch nicht einmal geredet. Vorerst geht es noch um andere Dinge, die in der Schatulle, gleich rechts neben der Stubentür, verwahrt wurden. Wenn ich mich von Zeit zu Zeit daranmachte, die oberste Schatullenschublade„zurechtzupacken“, so geschah das weniger aus dem Bestreben, meiner Mutter Ausbrüche des Entsetzens über die durch Bücher geschaffene Unordnung zu ersparen, als vielmehr aus der Lust, Gedrucktes durch die liebkosenden Hände gehen zu lassen. Von den drei Schubladen war nur die oberste meinem Wirken freigegeben. Doch war diese Anweisung kaum als Beschränkung spürbar, weil sich das Durchstöbern der unteren Lade ihres öden Wäscheinhaltes wegen ohnehin nicht verlohnte, und vor der mittleren war wie vor dem Allerheiligsten wirklich nur ein frommes Staunen mit gefalteten Händen angebracht.
Hier hatte die holde Kunst in der Verschwiegenheit traumbegünstigter Nächte viele Mittel zu ihrer Verwirklichung am hellen Tage niedergelegt. Da aber die Kunst, das unbestimmt Ersehnte, dessen Name mir noch nicht geläufig war, einem dunklen Gefühl nach in Luhnstedt zwischen Kühen und Pferden unmöglich gedeihen konnte, so wiesen die Schätze der mittleren Schublade zur Beglaubigung ihrer höheren Herkunft auf Dinge hin, in denen die Weite der Welt sich tröstlich bezeugte. Da war in einem seltsam geprägten Umschlag das Tagebuch meines Onkels Heinrich, das er vor zwei Jahrzehnten auf seiner Fahrt nach
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