Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
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Wenn auch dieses schauerliche Erlebnis nicht hineingehört in = die Aufzählung meiner frühen Begegnungen mit der holden Kunst, so mag es doch hier seinen Platz finden, damit keiner das Leben im Dorf als eine unstörbare Idylle nimmt. Im schlichten und anspruchslosen dörflichen Leben trägt mancher unter seinem = Kittel schon das Mal, an dem ihn das Schicksal erkennen wird, wenn wieder ein Gezeichneter fallen muß. Ich mühe mich hier, die guten Geister meiner Kindheit herzulocken. Das Rund eines grünen Rasens habe ich für ihren freundlichen Reigen freige­macht; die Linde in der Mitte ist mit bunten Papierlaternen be­hängt. Am Rande des Rasenrunds aber, dort, wo das Dunkel beginnt, weiß ich die Dämonen. Sie sind in Unruhe geraten; ich sehe sie umherschleichen, zum Sprunge sich ducken. Laßt meine Augen einmal bannend die Runde machen, laßt mich die Lau­ernden einmal beschwörend anrufen:Steht!

Hans Vollert sehe ich jetzt als einen Mann von unbeugsamer Lebenskraft, der dem Schicksal gewachsen war. Bei seinen Be­

suchen in meinem Elternhause kam er auch weiterhin spätestens nach dem zweiten Grog auf Theatererinnerungen zu sprechen: Weißt du noch, Claus? Weißt du noch, Marieken? Und dann "sang er mit dem alten Behagen und einer bewundernswerten Unbefangenheit sein Lied:

Ich bin Schramm. Wer kennt mich nicht?

Alle Tage ist Gericht. Worte und Weise des lustigen Sanges waren seinem Gedächtnis

für immer eingeprägt, und es schien, als habe das Schicksal alle _ Mühe verschwendet, als es versuchte, ihm von Gericht und Ge­fängnis ein trauriges Lied einzubleuen.

Bilder des Lebens, die Luhnstedts Künstler darstellten, durfte ich zu meinem großen Schmerz immer nur in der lediglich an­_ deutenden Zeichnung der Leseproben betrachten. Der Glanz der Farben wurde dem Bilde erst in Mehrens Gasthof aufgetragen, wenn die Darsteller auf die Bühne traten. Und hier zeigte sich nun wieder, daß Luhnstedt in seinen Bemühungen um die Kunst ohne die Peters nicht weit gekommen wäre. Kulissen und Vor­hang hatte mein Onkel Johann bemalt, und wenn er auch vor­wiegend mit einer ganz unkomplizierten grau-grünen Tünche und seinen erprobten Schablonen arbeitete, so hatte ihn doch

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