Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
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die Aufgabe der Vorhangsverzierung jäh auf eine Höhe empor­gerissen, wo die schöpferische Unabhängigkeit und allerdings auch die Verantwortung beginnt. Beinahe gelang ihm in einer kunstvollen Verschlingung der Embleme des Feuerlöschwesens die Rechtfertigung seiner etwas prahlerischen Berufsbezeichnung, beinahe wurde der Anstreicher doch zum Maler. Aber auch nur beinahe! Die Form des Feuerwehrhelms konnte ich trotz aller Bereitschaft zum Verzicht auf Kritik denn doch nicht ganz gelten lassen.

Diese Bühne erhielt eine Weihe höheren Grades, als Berufs­schauspieler ihre Bretter durch die Aufführung eines Dreyfus­Dramas im wörtlichen Sinne weltbedeutend machten. Zum Be­such der Vorstellung war ich nach der Behauptung meiner Eltern zu klein; ich konnte das große Ereignis nur im Hörensagen einigermaßen nachgenießen. Im nächsten Jahr kündete die Thea­tergesellschaft ihren vermessenen Vorsatz an, ein Drama aus dem Burenkrieg zu spielen, was nicht mehr und nicht weniger bedeutete als den Versuch, die Weite der südafrikanischen Steppe auf die zehn Geviertmeter unserer Feuerwehrbühne zu bannen.

Alles war im besten Fluß. Dann aber legte sich der Amtsvor­steher quer, ein Banause, der von der hohen bildenden Mission der Kunst offenbar noch nichts gehört hatte und Theaterauffüh­rungen mit erstbesten Lustbarkeiten gleichsetzte. Wenn man solche Leichtfertigkeiten gewissenlos wuchern ließ, so mußten sie Zucht und Sitte eines Dorfes in kürzester Zeit unterwühlen, und so versagte er der Aufführung seine Genehmigung. Was der Amtsvorsteher verbot, war so hoffnungslos verboten, daß meine Eltern beschlossen, an dem fraglichen Abend ihre Kaffeejott statt­finden zu lassen(geladene Gäste werden mit Kaffee, Stutenbut­terbrot und Kuchen bewirtet). Da die Wirtsleute auch zu den Gebetenen gehörten, gingen wir Kinder am Abend für ein paar Stunden in den Gasthof, um mit der Mehrensschen Nachkom­menschaft die sogenannte Kinderjott zu begehen. Wir vergnüg­ten uns in der großen Gaststube, genossen die Freiheit und waren überzeugt, auch ohne die Erwachsenen dem etwa unvorherge­sehen Eintretenden mit voller Sicherheit begegnen zu können. Was sollte sich denn auch groß ereignen? Wem wird es an einem

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