Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
83
Einzelbild herunterladen

Herbstabend mitten in der Woche einfallen, in den Krug zu gehen?

Da rollte plötzlich ein Wagen oder waren es gar mehrere mit so unheimlichem Gedonner auf den gepflasterten Platz vor dem Krug, daß die Wände in einem Zittern die Befürchtung ver­rieten, eingestoßen zu werden. Ungebärdige Pferde schnoben und setzten. in den unaufhörlichen Trommelwirbel ihres spielerischen Getrappels von Zeit zu Zeit den Paukendonner ernstgemeinter Hufschläge. Es muß ein erkleckliches Funkenstieben gegeben haben. Dazwischen wurde erregtes hochdeutsches Geschnatter laut, das am Ende die gesetzten holsteinischen Mähren nervös machen mußte. Im nächsten Augenblick ergoß sich in die Gast­stube die Schar der Mimen, denen das dunkle, stille Haus schon böse Ahnungen eingegeben haben mochte. Der älteste Wirtssohn erklärte die Lage, und nun erst gaben die geübten Stimmen das Letzte her, nun erst wurden auch die letzten Resonanzmöglich­keiten für den Ausdruck der Empörung ausgenutzt.

Der Direktor es war nicht Herr Sommer; von ihm wird noch die Rede sein sank vernichtet ins Sofa und starrte auf den Fußboden. Anders wirkte der Schlag auf andere. Ein hochge­wachsener Mann mit goldenem Pincenez durchmaß im Sturm­schritt den Raum und sah mit tragischem Trotz durch die Zim­merdecke zum Thron der Schicksalsmächte auf. Von allen Seiten prasselten Fragen, Anklagen, Verwünschungen auf die fassungs­losen Kinder nieder. Die großen Worte und großen Gebärden wogten wild durcheinander. Einer nur hielt sich abseits, stand wie erstarrt zu einem steinernen Bilde unendlicher Verachtung. Eine schöne, vornehme Dame, die es erstaunlicherweise duldete, von allen ohne Umstände Emmy genannt zu werden und also wohl die im vorigen Jahr so ausführlich und innig beredete Heroine Emmy von Soden sein mußte, warf sich in einen Stuhl und schlug eine gelle Lache des Hohnes auf. Gestikulierend, jam­mernd, fluchend, lachend verließen sie endlich die Gaststube, und der Prunkwagen des Thespis es war bestimmt kein Karren rollte davon.

Dies, meine erste Begegnung mit Bühnenleuten, war ein über­wältigendes Erlebnis. Ich nahm die gewiß sehr fragwürdige Her­richtung dieser Schmierenkomödianten für äußerste Eleganz. Die

83