geräuschvolle Sicherheit ihres Auftretens brachte sie auf völlig legitime Art in die Verwandtschaft der Grafen und Barone, die ich aus Romanen kannte, und Emmy von Soden lieh ihr Engelsgesicht der herrlichen Genia von Senden, von deren erschütterndem Schicksal das„Rendsburger Wochenblatt“ eben unter dem Strich erzählte. Das wildbewegte Leben der Ferne warf in diesen Gestalten gewiß trauriges Strandgut an die Küste meines Lebens; mir aber bestätigten sie als beglaubigte Boten die Wirklichkeit der anderen Welt, wo Kühe und Pferde Theodor Körners sämtlichen Werken den Vorrang nicht streitig machen können. Diese Stärkung war hochwillkommen; denn die Wirklichkeiten des| Dorfes bewiesen sich täglich so eindringlich, daß ich mich zuweilen bange fragen mußte:„Ob nicht die andere Welt am Ende; doch nur eine Erfindung der Dichter ist?“ Hier war ein Wunder geschehen. Mehrens’ Gaststube schien aber die Ehre, die ihr angetan war, nicht zu würdigen. Sie bewahrte an den Wänden keinen Schimmer von diesem jähen Einbruch des Glanzes und hatte schon ihr gleichmütiges Gesicht wiedergefunden, als das Rollen des abfahrenden Wagens noch vernehmbar war. Der älteste der Wirtssöhne zuckte mit den Schultern. Sein Lächeln befleißigte sich zwar all der Nachsicht, zu der ein Christ verpflichtet ist gegenüber den Menschen, die nicht das Glück haben, Luhnstedter zu sein; es zeigte daneben aber auch die ganze Überlegenheit, mit welcher der Seßhafte auf den Fahrenden herabsehen darf.
Mich aber zog es gewaltig zu den Fahrenden hin, deren Zunft zur willkommenen Unterbrechung des dörflichen Einerlei in sehr verschiedenartigen Vertretern hin und wieder auftauchte. Schwarzhaariges, gelbhäutiges Volk mit Tanzbären und grimassierenden Affen wurde mit Hallo begrüßt und nach genossener Schau an den Dorfausgang begleitet und ohne Schmerz entlassen. Immer aber war gleich die geheime Liebe im Spiel, wenn die Fahrenden — was in den meisten Fällen zutraf— irgendwelche Beziehungen zur holden Kunst unterhielten. Es fing an mit dem struppigen Zigeuner Altenburg und seiner Klarinette, die es sich nach dem Ausspruch meiner Mutter angelegen sein ließen, in Luhnstedt von Zeit zu Zeit„de Rotten un Müüs bang to maken“, In diesen Worten lag ja nun freilich eine Anspielung auf den Rattenfänger von Hameln versteckt. Da aber die Wirkung der Altenburgschen
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