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Tage des meist stillen, aber zuweilen auch lauten Kampfes um das neue Buch. Als mich mein Vater nach dem Beitrag fragte, dem meiner Meinung nach die Krone zugesprochen werden mußte, tat er es mit dem besonderen Lächeln dessen, der die eigene Wahl sicher und unwiderruflich getroffen hat. Ich zeigte schnell und bestimmt auf ein Gedicht von Gustav Falke. Mein Vater zog die Brauen hoch und sah mich etwas befremdet an. Dann schlug er eine Idylle von Ottomar Enking auf, die ihn nicht nur des Hexameters wegen an seinen geliebten„Siebzigsten Geburtstag“ gemahnen mochte:„Nein, dies hier, Junge, dies ist das Schönste!“ Vielleicht sah er in den vier kleinen Strophen von Falke doch nur mehr ein Füllsel, mit dem der Kalendermacher die verlorenen leeren Ecken schlecht und recht ausstopft. Aber ich ließ mich nicht beirren.;
Früher war in der Prosa das Abenteuer schön, der Strudel wilder Ereignisse, das große Wort und die große Gebärde derjenigen, die man als„Helden“ nehmen sollte und auch sehr gutwillig hinnahm. Das Gedicht hatte überdies die Fähigkeit, diese Unerläßlichkeiten der Dichtung mit Reim und Rhythmus zu noch eindrucksvollerem Prunk zu führen. Warum war nun mit einem Male das schlichte Gedicht von Falke so schön?
„Über reifen Ähren liegt stiller, goldner Abendschein.“
Ist denn an all den sonst hochgeschätzten außersprachlichen Dingen nichts gelegen, und soll von nun an das Geheimnis der Kunst eins sein mit dem Geheimnis der Sprache?
Es kam eine Zeit der großen Entdeckungen. In die Ummauerung meines Lebens war eine Lücke geschlagen, in der ein neuer, mächtiger Himmel mit großen und nahen Sternen sichtbar wurde. Vor diesen Hintergrund traten Gedichte, die ich bis dahin ihrer schlichten Gewandung wegen nicht beachtet hatte. Sie waren gegenwärtig und konnten noch ein wenig an die Paula erinnern, die im grau-grünen Umhang auf der Schwelle der Saaltür stand. Und wieder war es doch auch ganz anders. Denn was jetzt unter der schlichten Hülle auftauchte, war nicht billiger Flitter, sondern das lautere Gold einer höheren Welt.
Hier war ein Anfang gemacht. Langsam engte der Bereich der holden Kunst sich ein, und vieles von dem, was sich bis jetzt mit
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