nur ein kümmerliches Rinnsal, das er, falls ihm an der Verhöhnung eines unschuldigen Baches gelegen sein sollte, wie beiläufig hin und her überspringen kann. Vielleicht sind auch im Süden und Osten die schweigenden Wälder darum so hoch und unbedingt abschließend aufgewachsen, weil das Mißtrauen der Luhnstedter sie düngte. Ihr Vertrauen aber kluckert mit den Wässerlein der Luhnau geschwätzig dem Westen zu.
Dem Osten ist das Mißtrauen in besonderer Weise zugewandt. Holtdorf bleibt noch ausgenommen; denn es ist nur zwei Kilometer entfernt und liegt diesseits des Geheges. Außerdem ist der Boden dort besser als in Luhnstedt, und die Bauern haben entsprechenden Rang. Hinterm Walde, in Brammer, tut man gut, das erwachende Mißtrauen noch zu verbergen hinter Achtungsbezeugungen, zu denen der Besitzstand der Bauern zwingt. Aber dann kommt Bokel, armselig im Sand der Heide gelegen, das Dorf der Buchweizenbauern, die der göttlichen Weltordnung nicht acht haben insofern, als sie ihren Wohnort„Baukel“ nennen und überhaupt jedes lange„o“ in ein„au“ verwandeln.„In Baukel gaht de Kinner to Schaul.“ Mit solchem Kauderwelsch richtet ein Dorf sich selbst.
Den Bewohnern der weiterhin folgenden Dörfer kann ein freier Luhnstedter je nach seiner Gemütsart nur noch Verachtung oder Mitleid zuwenden. Wir kommen nämlich nun in die Begüterung hinein, wo das Blut nicht mehr so ebenmäßig sächsisch ist, wo ihm in früherer Zeit mancher Tropfen einer anderen, dunkleren, östlicheren Herkunft und musisch-bewegterer Art zugemischt wurde, wo der Graf von Reventlow-Criminil wie ein Halbgott Umritt hält. Vor ihm sinkt das würdelose Geschmeiß demütig in den Staub, und noch da, wo die Bauern den Sklavenstrick des Pachtverhältnisses endlich zerreißen und frei werden konnten, weisen doch sanftere Sitten und verbindlicheres Wesen auf die alte Abhängigkeit schimpflich zurück. Sie sind in harter Schule gründlich gezähmt worden, während der freie Luhnstedter einen Rest alter Wildheit mit Stolz bewahrt.
Diesen verdächtigen Bezirken des Ostens nun entstammte mein Vater, Wenn mein Bruder und ich uns in den Knabenjahren zum Besuch des Großvaters auf die dreistündige Wanderung begaben, so erwarteten uns mancherlei Abenteuer. In Holtdorf und Bram
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