Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
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betraten das Haus von der großen Diele her, und erst an ihrem| oberen Ende stießen wir auf das erste menschliche Wesen, auf| Gretjen, eine Schwester des Bauern, ein verhutzeltes, unwahr­scheinlich gekrümmtes Weiblein. Meiner Mutter Frage:Ist der Bauer schon aufgestanden? beantwortete sie mit einer für mich| unverständlichen Lautproduktion, der jedoch eine Bejahung der Frage allenfalls zu entnehmen war.

Wir fanden den Gesuchten, mangelhaft bekleidet, auf dem Sofa hinter dem Frühstückstisch in der Stube, deren Unaufge­räumtheit der Aufgeräumtheit unseres Freundes nichts anzu­haben vermochte. Er setzte fortissimo mit einem Erzählen ein, das mir heute als zeitraubend wenig genehm war. Nach und nach wurden auch andere Hausbewohner sichtbar; aber in der Lässig­keit der Reden und Bewegungen war nichts zu erkennen von der Absicht, den Rendsburger Markt zu besuchen. Nach einer qual­voll langen Zeit kam dann doch wie ganz nebenher die Rede darauf. Und nun stellte sich heraus, daß die Rösser einstweilen unangefochten auf einer fernen Koppel grasten, der Wagen hoch­notwendig noch geschmiert und das Pferdegeschirr an der sattsam bekannten Stelle, wenn auch nicht mit dauerhaftem Leder, so doch vorläufig mitSackband noch ausgebessert werden müsse. Harte Prüfungen standen also meiner ohnehin versagenden Ge­duld noch bevor. Während die großen Vollert-Jungen draußen Rosse und Wagen in Ordnung brachten, in eine sogenannte Ord­nung, muß man schon sagen, vervollständigte der Bauer seinen Anzug, und ich war meiner Mutter tief dankbar, als sie resolut Nadel und Faden forderte, um ein paar gefährlich baumelnde Knöpfe zu befestigen... Schließlich kamen die langwierigen Vorbereitungen doch an ihr Ende, und nun irrte nur noch der achtzehnjährige Vollert-Sohn, der an der Fahrt teilnehmen sollte, bereits mit Mütze und Überzieher angetan, aber noch unbeklei­deten Fußes durch das Haus und schrie nach Strümpfen. Dieses Bild hat sich meiner Mutter tief eingeprägt. Es empfahl sich aus-_ nehmend ihrem Sinn für das Groteske und kennzeichnete außer­dem die etwasbunte Wirtschaft im Hause ihres Freundes. Wenn_ sie was später noch oft geschah darauf zurückkam, rissen ihr Worte zwischenMütz op un Overtrecker an undplattbar opn Zement die gähnende Kluft grotesken Widersinns auf.

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