rung, vor uns„in der nächsten Stunde Schoße“ hart und klar „das Schicksal einer Welt“.
Schicksal jedoch war vorerst nicht mehr als ein dunkles Wort. Denn obwohl mir, dem kleinen Schleswig-Holsteiner, durch die Ereignisse der Jahre 1848—1871 der geschichtliche Ort meines kleinen Daseins mit einiger Bestimmtheit zugewiesen war, lebte mein Dorf doch zugleich noch in halb archaischen Formen. Die Vereinigung dieser Dinge gelang mir um so leichter, als ich sie in ihrer Widerspruchsnatur gar nicht erkannte. Das Zeitalter des Verkehrs hatte sich uns noch kaum angezeigt. Jede höher geartete Form der Raumbezwingung war noch ehern an die Verwendung von Pferd und Wagen geknüpft, die selbstverständlich eine ernste und ehrwürdige Sache war, sich aber nach dörflichem Empfinden durch die Prätension der Bezeichnung„Verkehr“ eher lächerlich gemacht hätte.
Als Vorläufer des„veloziferischen“ Zeitalters tauchte allerdings in diesen Jahren das Veloziped bei uns auf. Dieser Name behauptete sich auch dann noch, als eine verbesserte, handlichere und größere‘Sicherheit verbürgende Form dieses Fortbewegungsmittels schon lange die schlichte Bezeichnung„Fahrrad“ führte. Vielleicht wollte man durch das Beharren auf dem Fremdwort dem Fremdling im Dorf das Bürgerrecht versagen. Denn selbstverständlich war gegenüber der Maschine waches Mißtrauen am. Platz.;
Die Nortorfer Postboten rühmten wohl überschwenglich den Zeitgewinn, den ihnen das Veloziped ermöglichte, und einer von ihnen, der zungenfertige Petersen, machte sich anheischig,„auf ebener Chaussee“, so zwischen Nortorf und Bargstedt, das beste Pferd Luhnstedter Zucht im Wettrennen weit hinter sich lassen. Aber wer war Petersen-Post? Ein Prahlhans und Windbeutel! Und wenn er auch in dem Gerede von„Zeitgewinn“ durch seine Kollegen bestätigt wurde, so stand dem die merkwürdige Tatsache gegenüber, daß die ersten Luhnstedter Veloziped-Besitzer Leute waren, für die nicht die geringste Nötigung bestand, mit Zeit zu geizen. Der Lehrer zum Beispiel und der Meiereiverwalter hatten freie Zeit im Überfluß, und eben um diese zu„vertreiben“ wie eine lästige Fliege, schafften sie sich ein Spielzeug an, über das gesetzte Leute denn doch nur lächeln konnten.
127