Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
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Dem Manne, der im Heimweh den Pfaden seiner Jugend nach­spürt, ist die Bitternis lange vertraut. Aber nun sucht er sie abzu­tun, um unbeschwert mit Eltern und Geschwistern noch einmal den Tag zu feiern, in dem einst aller Zauber des Septembers auf seinen festlichen Gipfel gelangte.

Mit diesem Fest in meinem Elternhaus war es eigen bestellt. Gemeinhin fordern Feste Geld und Zeit; bei uns aber war von beidem nie ganz genug vorhanden. Meinem Vater war die Gabe geworden, ohne allen Geldaufwand und ohne Gewaltsamkeit einen Arbeitstag aus seinem grauen Kittel in ein schillerndes Fest­gewand hinüberzulocken. Und wenn ihm die Freude in den Augen seiner Kinder das Gelingen der vielen kleinen Listen be­stätigte, so fing er sich wohl am Ende in den eigenen Schlingen und nahm den Arbeitstag ernsthaft als Fest.

War es nicht wieder ein Sinnbild, daß das Fest der herbst­lichen Fülle an das Werk der Bienen anknüpfte? Was kann die Biene denn mit einem Flug einholen? Ist es nicht eine Winzig­keit? Und ganz bequem steht ihrem Eifer nur die Lindenreihe vor unserm Hause. Und vielleicht ist die Lindenblüte noch halb verregnet, und die Heide liegt ermüdend weit, und den Buch­weizen säen die Bauern immer spärlicher an. Aber alle Angst und alle Mühe hat sich um der Tapferkeit und Unverdrossenheit willen nun doch in goldgelbe Süße verwandelt. Die Tracht der einzelnen Biene mag unscheinbar sein, die Sommerarbeit vieler Völker füllt nun doch in unserer Speisekammer eine stattliche Reihe gewichtiger brauner Kruken,

Vielleicht wäre es angebracht gewesen, das Fest im Angesichte der dickbäuchigen Kruken zu feiern. Aber das geschah nicht. Schön war es gewiß auch, wenn zum erstenmal die frischen, wohl­gefüllten und kunstvoll geschlossenen Waben zum Schmausen freigegeben wurden. Dann hieß es:Eßt, Kinder! Aber ihr müßt euer Maß wissen. Schön war es weiter, auf weißen Tellern den Nachbarn besonders wohlgelungene Wabenstücke als Geschenk zuzutragen. Da erscheint man ein wenig wichtigtuerisch als der großherzige Spender edler Gaben, und der Groschen, den die Kinder empfangen, ist nicht der geldliche Gegenwert, sondern nur eine Gebühr, durch die unsere Großmut anerkannt wird. Der alte Schuster Henn Lüning gibt kindischer Freude und Be­

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