Heimweg bei meinen Eltern ein, um mit ihren händlerischen Erfolgen ein wenig zu prahlen. Den kleinen Spott in den Augen meines Vaters sah sie nicht, und es machte sie auch nicht stutzig, als er einmal mit einer sehr verdächtigen Ehrerbietung sagte: „O Lena, wat muß du för’n Geld hebben!“ Die Tante nahm seine Worte vielmehr als einen Ausdruck des Neides hin und als ein wohl spätes und darum nutzloses, aber immerhin anerkennenswerte Geständnis seines Lebensirrtums. Da kostete sie ihren Triumph voll aus:„Ja, ihr könntet auch Geld haben; aber ihr gebt ja alles für die Kinder hin!“ Mein Vater sah die Eifernde groß und ohne Verständnis an, und weil er hier dem Ganz-Anderen, dem Heillos-Fremden gegenüberstand, machte er sich nicht mehr die verlorene Mühe einer Erwiderung.
Dem Leben geschieht viel Unrecht, wenn man es so oft karg schilt. In einem Hause sammelt sich immer das an, was seine Bewohner mit wirklicher Inbrunst und Ausdauer erstreben. Bei Tante Lena war es das Geld; in meinem Elternhaus waren es Bücher. Aus seiner Neigung zu geistigen Dingen hatte mein Vater in seinen frühen Jahren Freundschaft geschlossen mit dem Gutsgärtner auf Emkendorf, der als Angehöriger einer Familie, aus welcher eine ganze Reihe noch heute bekannter Forstleute hervorgegangen ist, den wissenshungrigen Böttchergesellen teilhaben ließ an seinem beträchtlichen Bücherbesitz, seiner Gymnasialbildung und seiner Welterfahrung. Als diesen Freund später eine wachsende Verbitterung nach Amerika trieb, gab er seine gesamte Habe an Büchern in die Verwahrung meines Vaters.
Was davon den Lesebedürfnissen unserer Familie irgendwie dienen konnte, war ausgesondert und um der bequemen Erreichbarkeit willen im Wohn- und Schlafzimmer untergebracht worden. Der Rest füllte auf dem Boden eine vollausgewachsene Bauernlade. Da gab es Grammatiken und Wörterbücher vieler fremder Sprachen, botanische und forstwissenschaftliche Werke. Manchen Nachmittag verbrachte ich auf dem dämmerigen Boden mit dem Besehen dieser Bücher, die zum Teil ein sehr ehrwürdiges Alter hatten. Da ich in ihre Welt keinen Zugang finden konnte, so waren dies Stunden einer völlig zweckfreien Verehrung des Geistigen, und vor einem monumentalen griechischen Wörterbuch kam mir vollends der fromme Schauer. Ich stand da,
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