„Kann ich auch nichts gewinnen, so spür’ man meine Treu!“
Was an diesem Wort dann noch ruhmredig erscheinen könnte, verliert sein Gewicht, weil ihm das ehrfürchtige Geständnis der Abhängigkeit von fremden Quellen der Kraft vorangegangen ist. Und hier ist auch der Ort, mit dem Schlüssel des Gleichnisses an das verschlossene Wort„Gnade“ zu rühren. Hier darf der Mensch in der Folgerichtigkeit seiner Bemühungen eine Frucht der Gnade sehen, und weil die Gnade den Glauben bewirkt, so ist ihm gleichnishaft zu sagen erlaubt:„Ich habe Glauben gehalten.“
Wohin haben wir uns verloren? Ist die Rede über die Gnade und den Glauben eine Verstiegenheit, wenn sie sich anschließt an ein schlichtes Erzählen vom Lesen und den Büchern? Da aber hinter uns kein gebahnter Weg liegt, und da im Unwegsamen keine Spur unserer Schritte sich erhalten hat, so mag hier am Kleinen einmal geschehen sein, was sonst nur am Großen begegnet. Wir können die Stelle, auf der wir stehen, nicht erstiegen haben; wir müssen zu ihr emporgetragen worden sein. Wie wir in der großen Bedrängnis eines Traumes zuweilen bei einer zufälligen Bewegung der Arme entdecken, daß sie, Flügeln gleich, uns in der Luft zu tragen vermögen, wie wir uns dann im Entschweben weniger über den mühelosen Flug wundern als über das in einem Versagen des Gedächtnisses begründete Übersehen dieser selbstverständlichen Zuflucht, so reißt die geformte Sprache unseren Geist in einem Zuge auf Höhen, vor denen der kühne logische Bergsteiger umkehren muß. Seine letzten Möglichkeiten erreicht der Geist im Fluge.———
Immer noch spürt der Mensch, dem sich die Wirklichkeit in der Sprache vollendet, ein Bedürfnis, sich zu rechtfertigen. Er klammert sich an die höchsten Namen, welche die Geschichte des deutschen Geistes zu nennen weiß, wahrlich nicht in der lächerlichen Absicht, ihnen den seinen zu vergleichen, sondern um aus der eigenen Schwäche zu flüchten in das Kraftfeld eines Beispiels, das zum Höchsten verpflichtet. Da darf ihm der Streit der Wirklichkeiten entschieden sein. Wir treten hin vor die beiden Großen, deren Gestalten im erzenen Bilde aufgerichtet stehen in der Stadt, die gewürdigt war, Stätte ihres Wirkens zu sein; wir überdenken
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