Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
Seite
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Wenn mein Blick von einer Runde durch das Grau zu den Ge­nossen der Fahrt heimkehrte, war immer ihrer einer derart ver­schwunden, daß er seinen Anteil am Bootsraum mitgenommen hatte ins Nirgendwo. Zuletzt saß ich allein in einem winzigen Nachen, überall dem Wasser gleich nahe. Mit einem Ruck sank ich so tief, daß das Wasser jetzt noch genau abschnitt mit dem Rand meines Fahrzeuges, den es aber nun, eine Sekunde vor dem Einbruch, schon mit einem Wulst überhöhte. Die nächste Gefahr war die Berührung mit eiskaltem Wasser, und da also die Haut als Trägerin der Temperaturempfindungen unmittelbar in der Bedrohung stand, so vollzog sie, unabhängig vom gefangenen Bewußtsein, ihren selbständigen Sprung in die Freiheit des Wa­chens. Sie stand in der Bereitschaft, dem Bewußtsein exakte An­gaben über ihre Temperaturempfindungen zukommen zu lassen. Als nun die kalten Wasser über dem Boot zusammenschlugen und der Versinkende solche Angaben anforderte, wurde ihm das hohe Lied der wohligen Wärme des Bettes zugesandt. Das traumver­wirrte Bewußtsein aber begabte mit dieser Wärme das Wasser, so daß wie durch Wunder ein feindseliges Element sich in den guten Freund verwandelte. Seligkeit war dieser jähe Übergang aus der Todesangst und der Bereitschaft zu verzweifeltem Wider­stand gegen den Untergang in das unbedingte Vertrauen, in das unbedingte Gutheißen des Geschehenden. Tiefer sank ich hinab in immer tiefere Geborgenheit, in eine immer seligere Entrückt­heit. Wie eine Liebkosung aus der Unendlichkeit gingen die Wasser über mich hin. Noch sah ich den bleichen Himmel, dessen Sterne mit der Gemächlichkeit meines Sinkens höher hinauf­schwebten in den Raum.

Selige Wandlung! Aber es ist nicht so, daß noch den bängsten Traum einheimliches Gefühl seiner Bedeutungslosigkeitbe­gleitet. Das ist nur bei Traumbildern so, die unbehaglich, pein­lich sind, und ihnen gibt das besagte Gefühl oft genug eine humo­ristische Untermalung. Es ist, als schleiche einem wichtigtuerisch dahinstelzenden Mann ein kleiner Kobold im Narrengewande nach, der durch groteske Sprünge und despektierliche Grimassen dies Herrschergebaren als Anmaßung enthüllt. Der bängste Traum schreitet königlich allein, und keinheimliches Gefühl wagt sich in seine Nähe, und keines bestreitet ihm auch nur aus

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