PETE
der Ferne die unbedingte Gewalt über Leben und Tod. Wenn das Gefühl, daß dies alles nichts bedeutet, sich endlich einstellt, dann ist es nicht mehr heimlich, dann ist es schon vom heimgekehrten Bewußtsein öffentlich gerechtfertigt und anerkannt. Vorher aber muß der Kelch bis in die äußerste Bitternis des Bodensatzes geleert werden. Ehe noch das befreiende Gefühl die Traumnatur des Geschehenen enthüllen kann, ist die Todesangst in ihrer ganzen erbarmungslosen Wirklichkeit schon durchlitten.
Zu dieser Behauptung ist berechtigt, wer die Gefühle seiner Angstträume vergleichen kann mit dem, was ihm am Rande des wirklichen Todes, auf dem Schlachtfelde etwa, das Gemüt bewegte. In der höchsten Bedrohung rafft der Mensch als geistbestimmtes Wesen die Heerscharen seines Willens zusammen und weiß, daß er mit Würde dem Übermächtigen erliegen wird. Im Schlaf aber hat er die Rüstung des Geistes abgelegt. Da ist er, seinem dumpfen Gefühl hingegeben, nur die ohnmächtige, geängstete, die grauengeschüttelte Kreatur.———
Wenn der Traum vom Versinken die Seligkeit der großen Verwandlung mit einer— man möchte fast sagen: behaglichen— Breite ausspinnt, so pressen Sturzträume sie in einen einzigen Augenblick und geben ihr damit die noch höhere Gewalt. Mag ein Traum noch so harmlos beginnen, an jeder Wendung seines wirren Weges kann die Drohung lauern. Ich gehe durch freies Feld in nebliger Landschaft eine Straße hin, die schnurgerade und eben vor mir herläuft. Sie ist in allem so belanglos wie der ganze Traum. Unmerklich aber wächst die Beschwerde des Wanderns, und ich sehe nun, daß meine Straße ansteigt. Schon muß ich den Oberkörper vorneigen. Den Sand und die Steine sehe ich unter mir wie durch ein Vergrößerungsglas. Die unerklärliche Mühsal des Vorwärtskommens zwingt mich zu einem Innehalten. Ich richte mich langsam auf und sehe bei flüchtigem Umschauen, daß sich hinter mir die vormals waagerechte und meilenlange Straße steil aufgerichtet hat und unerbittlich der Senkrechten zustrebt. Meine Füße verlieren den Halt. Habe ich mich hingeworfen? Ist mir die Straße an die Brust gesprungen? Vergebens suchen meine Hände, sich in ihren erbarmungslos harten Grund einzukrallen. Knie und Fußspitzen tasten verzweifelt nach einer Stütze. Da ist keine Rettung. Sturz! Sturz!———
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