cheln. Das Spiel mit der Sprache war in meinem Elternhause so selbstverständlich notwendig, daß ich es erst spät als eine lebenbestimmende Besonderheit erkennen konnte. Meine Mutter zumal hatte als Gabe der Natur eine sehr eigenwillige und bilderreiche Sprache, und wo sie in Gesprächen mit anderen einen Ausdruck von besonderem Witz und besonderer Schlagkraft hörte, da hob sie ihn auf, putzte noch ein wenig daran herum, nahm ihn ins Eigene und rettete ihn vor dem Vergessenwerden. Wollte sie andere Menschen charakterisieren, so geschah das nie durch die kurze und dürre Aufzählung verschiedener Eigenschaften. Immer stellte sie unter Beteiligung der Mimik die Fremden in der ihnen eigenen Sprache sehr ausführlich dar, wobei es selbstverständlich in manchem Fall ohne kleine Bosheiten nicht abgehen konnte. Der Vater war eine mehr lehrhafte Natur. Seine Geschichten hatten eine Moral und schmückten sich gern mit Zitaten aus der klassischen Dichtung. Unbewußt wuchs vor solchen Vorbildern in den Kindern die Überzeugung, daß es beim Darstellen immer auf die Form ankommt. Ein unbedachtes sprachliches Wiederkäuen der Tagesereignisse war verpönt, und ein Erlebnis galt nicht darum schon als beredenswürdig, weil es sich bereden ließ. War das Ereignis in sich bedeutungsvoll, so behauptete es natürlich auch ohne besondere sprachliche Herrichtung seinen Rang. Vor dem nur Grob-Tatsächlichen aber hatte in jedem Fall die gut erzählte Nichtigkeit den Vorzug. Leute wie Detelt-„Un-so“ und Jehann-„Un-Kram“(Speck un Kram kann’k bieten un Kram), die ohne die geringste Selbstzucht das Unkraut in ihrem ohnehin dürftigen Sprachwuchs wuchern ließen, stellten uns abschreckende Beispiele der Lächerlichkeit hin. Bei uns mußte jeder sich überwachen, hatte jeder an seinen Pointen zu feilen, und die sogenannten„Dröhnbartel“ waren meiner Mutter ein Greuel. Wenn ich in plattdeutscher Sprache erzähle, so ist die Mutter noch heute als Hörerin und Beurteilerin immer gegenwärtig, und wenn sie mir sagte:„Junge, wat dröhnst du!“ so wäre das vernichtend.
Zu dem Haus und dem Leben, das es umschloß, gehören im weiteren auch alle, die dort ein- und ausgingen, alle,„die darin verkehrt“. Man kam gern in unser Haus, und auch von ihm läßt sich sagen, daß allen, die darin verkehrten, ein guter Mut
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