Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
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seinem Bericht schloß sich ein lebhafter Austausch von Ver­mutungen über den weiteren Gang der Handlung an. Da wur­den des weiteren von schnurrigen Käuzen des Dorfes und des Kirchspiels lustige Geschichten erzählt, und wenn der Gesprächs­stoff wirklich einmal auszugehen drohte, so brauchte man den Bauern mit einem kleinen schlauen Wort nur auf das unabseh­bare Gebiet seiner Kriegserinnerungen zu verweisen.

Zu einem Teil war ich diesen Gesprächen Zeuge, wenn ich meinem Vater helfen mußte. Zum anderen Teil konnte ich sie belauschen von meiner Kammer her, die nur durch eine dünne Tür von der Werkstatt getrennt war. Jakob Sievers war seiner unverwüstlichen Laune und seiner allgemeinen Lebenssicherheit wegen durchweg wie man zu sagen pflegthoch im Wort. Nun zwang ihn der Arbeitslärm noch zu einer zusätzlichen Laut­verstärkung, so daß mir kaum etwas entgehen konnte. Die Ar­beit durfte nicht unterbrochen werden, und im allgemeinen fand sich der Freund mit diesem Grundsatz meines Vaters gut ab. Wenn er aber das Gespräch auf einen Höhepunkt geführt hatte, dann rief er doch zuweilen:Hol doch maln Oogenblick op mit dien unklook Dunsen. Man kann jo sien eegen Word nicht ver­stahn! Doch konnte auch dann von einem Versagen seiner Stimme nicht eigentlich die Rede sein. Er forderte die Stille mehr als eine Ehrenerweisung vor einer gut zugespitzten Redewendung.

Auch meine Mutter konnte von der Küche, vom Wohnzimmer und bei geöffnetem Küchenfenster wohl gar vom Garten her dem Gang der Rede folgen, und zuweilen lief sie von der Arbeit weg mit hochrotem Gesicht in die Werkstatt, um das Gewicht ihrer Frauenmeinung geltend zu machen, wenn die Mannsleute mit ihremGetühn das Gleichgewicht der Welt in Gefahr brachten. Wohl machte sie sich hier und da mit ihren Temperamentsaus­brüchen auch Feinde; aber was Recht war, mußte doch schließlich auch Recht bleiben.

Dashohe Wort aus der Böttcherwerkstatt lockte von Vor­übergehenden diejenigen an, die selbst des Wortes mächtig und außerdem fähig waren, einen gelungenen Satz zu genießen: den Gastwirt Hinnerk Mehrens, meinen Onkel Karl, einen Bruder der Mutter, dessen Erzählungen stets die Merkmale einer bewuß­ten Formung zeigten, den putzigen Schuhmacher Henn Lüning,

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