seinem Bericht schloß sich ein lebhafter Austausch von Vermutungen über den weiteren Gang der Handlung an. Da wurden des weiteren von schnurrigen Käuzen des Dorfes und des Kirchspiels lustige Geschichten erzählt, und wenn der Gesprächsstoff wirklich einmal auszugehen drohte, so brauchte man den Bauern mit einem kleinen schlauen Wort nur auf das unabsehbare Gebiet seiner Kriegserinnerungen zu verweisen.
Zu einem Teil war ich diesen Gesprächen Zeuge, wenn ich meinem Vater helfen mußte. Zum anderen Teil konnte ich sie belauschen von meiner Kammer her, die nur durch eine dünne Tür von der Werkstatt getrennt war. Jakob Sievers war seiner unverwüstlichen Laune und seiner allgemeinen Lebenssicherheit wegen durchweg— wie man zu sagen pflegt—„hoch im Wort“. Nun zwang ihn der Arbeitslärm noch zu einer zusätzlichen Lautverstärkung, so daß mir kaum etwas entgehen konnte. Die Arbeit durfte nicht unterbrochen werden, und im allgemeinen fand sich der Freund mit diesem Grundsatz meines Vaters gut ab. Wenn er aber das Gespräch auf einen Höhepunkt geführt hatte, dann rief er doch zuweilen:„Hol doch mal’n Oogenblick op mit dien unklook Dunsen. Man kann jo sien eegen Word nicht verstahn!“ Doch konnte auch dann von einem Versagen seiner Stimme nicht eigentlich die Rede sein. Er forderte die Stille mehr als eine Ehrenerweisung vor einer gut zugespitzten Redewendung.
Auch meine Mutter konnte von der Küche, vom Wohnzimmer und bei geöffnetem Küchenfenster wohl gar vom Garten her dem Gang der Rede folgen, und zuweilen lief sie von der Arbeit weg mit hochrotem Gesicht in die Werkstatt, um das Gewicht ihrer Frauenmeinung geltend zu machen, wenn die Mannsleute mit ihrem„Getühn“ das Gleichgewicht der Welt in Gefahr brachten. Wohl machte sie sich hier und da mit ihren Temperamentsausbrüchen auch Feinde; aber was Recht war, mußte doch schließlich auch Recht bleiben.
Das„hohe Wort“ aus der Böttcherwerkstatt lockte von Vorübergehenden diejenigen an, die selbst des Wortes mächtig und außerdem fähig waren, einen gelungenen Satz zu genießen: den Gastwirt Hinnerk Mehrens, meinen Onkel Karl, einen Bruder der Mutter, dessen Erzählungen stets die Merkmale einer bewußten Formung zeigten, den putzigen Schuhmacher Henn Lüning,
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