Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1958) Prosa
Entstehung
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wie selbstverständlich verwandte Menschen Verstehenden immer wieder aus einem plötzlichen Befremdetsein in das maß lose Staunen hineintreibt.

Ich-habe gezeigt, wie das Haus beschaffen war, wie es sich denen darstellte, die darin verkehrten. Die Reden, die es ver­nahm, waren tage- und wochenlang ein heiteres und schon halb­wegs künstlerisch hergerichtetes Bild friedsamer Dorfereignisse. Hin und wieder aber hörte der Knabe unter vielleicht halbver­standenen Worten den fernen Donner des Schicksals aufmurren, und nicht ohne Bedacht ist schon einige Male ganz kurz vom Gewitter die Rede gewesen, von Gewittern allerdings, die sich am Tage austoben.

In Schauern und Schönheit aber vollendeten sich erst die Ge­witter der Nacht. Meine Träume waren von einem sonderbaren Brausen erfüllt, und dunkel fühlte ich durch ihre zusammen­hanglosen Bilder die Verpflichtung, sie abzuschütteln und das Erwachen zu erzwingen. Nach einem langen und ergebnislosen Aufbegehren gegen die Fessel des Schlafes hörte ich dann aus unendlicher Ferne meinen Vater rufen:Jungens, steht auf; es ist Gewitter. Sonderbar gepreßt schien mir seine Stimme zu klingen. Hastig raffte ich meine Kleidungsstücke zusammen, ein­zig erfüllt von dem Gedanken, mich schnell ins Wohnzimmer zu retten. Aber da war vorerst noch die große Werkstatt zu durch­queren. Auf der Schwelle der Kammer stehend, wollte ich den günstigen Augenblick zwischen zwei Donnern abwarten, zögerte dann aber doch so lange, daß ich meistens in den nächsten Blitz hineinlief, der über den Rishauen niederging. Der Neuendingen die Koppel vor unserem Hause die dahinter liegenden Wiesen und in der Ferne der Waldrand der Rishauen lagen in einem

grellen, grünen Licht. Die groben, buchenen Hauspäne verwun­deten meine nackten Füße. Halb geblendet stürzte ich weiter. Jetzt ertasteten die Füße die kühle Glätte des Zements der Vor­diele, und wenn ich endlich die Stubentür aufreißen konnte, brüllte auch schon der neue Donner los.

Die Stube schien mir auf seltsame Art verwandelt zu sein. Zuweilen war es kurz nach Mitternacht, und da mir der Bruder versichert hatte, um zwölf Uhr nachts stelle die Welt sich auf den Kopf, so glaubte ich während einiger Zeit die Spuren der Um­

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